Schimpanse Robby mit 47 Jahren bei Circus Belly verstorben

Update 14. November 2022

Schimpanse Robby mit 47 Jahren bei Circus Belly verstorben

Robby, der letzte Menschenaffe in einem deutschen Zirkus, ist am Freitag, den 11. November 2022, im Alter von 47 Jahren verstorben. [1] Er ist nun von seinem jahrzehntelangen Missbrauch in der Manege erlöst. Wir von PETA Deutschland haben uns jahrelang dafür eingesetzt, dass der Schimpanse zumindest seine letzten Lebensjahre in einer Auffangstation unter Artgenossen verbringen darf. Wir bedauern sehr, dass ihm dies verwehrt blieb.

Originalartikel vom 24. Juni 2021

Affe Robby: So einsam lebte der Schimpanse im Circus Belly

Menschenaffen können aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten und ihres komplexen Sozialverhaltens nicht artgerecht im Zirkus gehalten werden. [2] Heute gibt es in Deutschland fast keine Menschenaffen mehr im Zirkus – die einzige Ausnahme: Schimpanse Robby, der bei Circus Belly seit Jahrzehnten einzeln gehalten wird und dort ein trauriges Dasein in einem kleinen, umgebauten LKW-Anhänger fristet.

Inhaltsverzeichnis

Trotz artwidriger Haltung und Verhaltens­störungen darf Robby nicht umziehen

Wegen der jahrelangen Einsamkeit leidet Robby unter schwerwiegenden, amtstierärztlich diagnostizierten Verhaltensstörungen. Denn in der Natur leben Schimpansen in Gruppen mit einer komplexen Sozialstruktur. Expert:innn zufolge sind auch Menschen keine adäquaten Sozialpartner für Schimpansen – die Tiere brauchen den Kontakt zu Artgenossen.

Wir von PETA Deutschland setzen uns bereits seit 2011 für die Rettung des letzten Menschenaffen in einem deutschen Zirkus ein – mit dem Ziel, ihn in einer auf die Resozialisierung von Schimpansen spezialisierten Auffangstation unterzubringen. Im November 2018 urteilte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, dass Robby nicht zu Artgenossen umziehen darf – obgleich das Gericht ausdrücklich feststellte, dass die Einzelhaltung des Menschenaffen im Zirkus nicht artgerecht ist und gegen das Tierschutzgesetz verstößt.

Zoo verkauft Robby für Gefangenschaft und Ausbeutung im Zirkus

Robby wurde 1975 in einem deutschen Zoo geboren und von Hand aufgezogen. Im Alter von etwa zwei Jahren wurde er an einen Zirkus verkauft – und diesem nur wenige Jahre später von Zirkusbetreiber Klaus Köhler abgekauft. [3] Der Zirkusdirektor dressierte den jungen Schimpansen und stellte ihn jahrelang bei Circus Belly zur Schau: [4] Bei Auftritten musste Robby einen schwarzen Anzug mit Goldbesatz tragen und beispielsweise auf einem Roller fahren, Handstand machen oder auf Stelzen laufen. [5]

circus belly affe robby

Die meiste Zeit lebte Robby in einem winzigen Zirkuswagen, der nur etwa 10 bis 12 Quadratmeter groß und rund 2,30 Meter hoch ist. Je nach Witterung und Laune der Zirkusmitarbeiter:innen konnte er zusätzlich zwei Außenkäfige benutzen, die zusammen nochmal circa 20 Quadratmeter groß waren. In den beengten Verhältnissen der Gefangenschaft im Zirkus kann Robby seinen natürlichen Bedürfnissen kaum nachgehen. Nicht ausreichende Kletter- und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie der fehlende Kontakt zu Artgenossen machten die Haltungsbedingungen für Robby grausam und tierquälerisch – sein Leben ist geprägt von endloser Langeweile und Einsamkeit.

Robby hat ein besseres Leben verdient

Wir haben den Zirkus mehrfach besucht, um die Lebensumstände von Robby vor Ort zu dokumentieren. Bei drei Besuchen Ende 2011 und im März 2012 waren die kleinen Außengehege selbst bei wärmeren Temperaturen nicht zugänglich oder teilweise gar nicht erst aufgebaut. 2011 haben wir Beschwerde gegen die tierschutzwidrige Haltung beim Veterinäramt des Landkreises Celle eingelegt, der für den Zirkus zuständigen Genehmigungsbehörde. Robby war zu dem Zeitpunkt keine 40 Jahre alt. Die Fachleute der auf die Rehabilitation von Schimpansen aus Zirkusbetrieben und Privathaltungen spezialisierten niederländischen Auffangstation „Stiftung AAP“ unterstützten unsere Forderung, Robby aus dem Zirkus zu holen, weil der Schimpanse dort unter artwidrigen Bedingungen lebt. Sie hielten zunächst einen Platz für ihn bereit, damit Robby endlich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein echter Schimpanse sein darf.

Nach unserer Beschwerde ließ das Veterinäramt Landkreis Celle Anfang 2012 ein Gutachten über Robby anfertigen. Laut Gutachten, dessen Herausgabe die Behörde verweigerte, durfte Robby unverständlicherweise im Zirkus bleiben. Dem Zirkus wurden lediglich Auflagen erteilt, um dem Schimpansen zumindest ein etwas größeres Gehege, fortan einen ca. 40 bis 50 Quadratmeter großen Außenkäfig und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten. In den 30 Jahren davor haben weder der Zirkus noch die Behörden etwas unternommen, um zumindest die Richtlinien des Bundeslandwirtschaftsministeriums für die Schimpansenhaltung umzusetzen.

Zu dieser Zeit wurden Robby noch weitere 10 bis 15 Lebensjahre prognostiziert. Weil er nicht bis an sein Lebensende ohne jeglichen Kontakt zu Artgenossen ausharren sollte, starteten wir die Kampagne „Rettet Robby“. Mit einer Petition forderten bereits über 77.000 Unterstützer:innen das Veterinäramt auf, Robby an die Auffangstation zu übergeben.

Juni 2015: Schimpansen-Expertin Dr. Jane Goodall setzt sich für Robby ein

Wir haben der weltbekannten Schimpansen-Expertin Dr. Jane Goodall Videoaufnahmen von Robby gezeigt. Auch sie hält es für notwendig, Robby aus dem Zirkus herauszunehmen, um ihn vor weiterer Ausbeutung zu schützen: [6]

  • Statement von Schimpansen-Expertin Dr. Jane Goodall

    Zirkusse werden als Ort dargestellt, an dem Familien viel Spaß haben können – das stimmt sicher auch, aber nur, wenn in dem Zirkus keine exotischen Tiere auftreten müssen. Zirkustiere haben normalerweise ein trostloses Leben und verbringen die meiste Zeit in kleinen Käfigen oder Käfigwaggons.

    Besonders große Sorgen bereitet mir die Nutzung von Schimpansen im Zirkus. Die Tiere ähneln uns auf so vielfältige Weise. Sie zeigen Emotionen wie Freude, Traurigkeit, Wut und auch Verzweiflung. Sie küssen und umarmen sich, halten die Hand des anderen, kitzeln sich gegenseitig und lachen. Sie gehen starke, liebende und unterstützende Bindungen mit Familienmitgliedern und Freunden ein. Genau wie wir können sie aggressiv sein, aber ebenso Mitgefühl und Altruismus zeigen. Die Anatomie des Gehirns von Schimpansen und Menschen ist beinahe gleich (unser Gehirn ist größer). Schimpansen können denken und Probleme lösen. Sie nutzen und bauen Werkzeuge und Jungtiere lernen durch Zusehen, Nachahmen und Üben, wie man diese nutzt.

    Ich bin strikt gegen die Ausbeutung von Schimpansen in der Unterhaltungsindustrie (nicht nur im Zirkus, auch in der Werbung oder im Film), weil ich viel darüber weiß. Jeder Schimpanse, der irgendwo auftreten muss, wurde schon sehr früh von seiner Mutter getrennt. Diese Trennung ist absolut traumatisch. In freier Wildbahn wird ein Jungtier erst mit ca. fünf Jahren entwöhnt – und selbst danach wird der Umgang mit Familienmitgliedern häufig noch ein Leben lang weiter gepflegt. Die Tiere können in der Natur bis zu 50 oder 60 Jahre alt werden. Schimpansen sind hochsoziale Lebewesen und die soziale Isolation verursacht im Normalfall psychische Schäden.

    Wenn Schimpansen älter werden, lehnen sie sich oft gegen die von ihnen verlangte Disziplin auf, und da sie stärker sind als wir, umfasst ihr Training normalerweise körperliche Bestrafung, damit sie sich dem Trainer auch weiterhin unterwerfen. Oft tragen die Tiere ein Elektrohalsband, das einen Elektroschock aussendet, sobald der Schimpanse auch nur ein Anzeichen von Ungehorsam zeigt.

    Ich schreibe diese Zeilen für einen ganz bestimmten Schimpansen – Robby. Ich habe Videoaufnahmen von den Auftritten dieses männlichen Schimpansen im Zirkus gesehen. Ganz abgesehen von dem Training, das Robby durchlaufen musste, wird er hier sicherlich nicht mit dem Respekt behandelt, den er verdient. Ich bin nach eingehender Betrachtung der absoluten Überzeugung, dass Robby aus jeder zukünftigen Situation der kommerziellen Ausbeutung befreit und in eine autorisierte Auffangstation überstellt werden sollte, die weiß, welche Bedürfnisse Tiere aus der Unterhaltungsindustrie haben, z. B. die Stiftung AAP.“

September 2015: Behördliche Verfügung zur Abgabe von Robby

2015 entschied das Kreisveterinäramt Celle nach Auswertung diverser Fachgutachten, dass Circus Belly den Schimpansen bis Ende des Jahres an eine Auffangstation abgeben muss, die auf die Rehabilitation von Menschenaffen spezialisiert ist. Das Veterinäramt entzog dem Direktor des Wanderzirkus die Haltungsgenehmigung [3] und untersagte kurzzeitig auch die Zurschaustellung Robbys, so dass er nicht mehr im Showprogramm des Zirkus auftreten muss. [7] Ein gerichtlich bestellter Gutachter beurteilte die Chancen für eine Resozialisierung mit anderen Schimpansen als gut. [7] Robby hatte in seiner Jugend kurzzeitig Kontakt zu Artgenossen und verfügt laut Gutachter über eine gute Sozialkompetenz. Doch der Zirkus legte Beschwerde gegen die behördliche Verfügung ein. Bis zur Verhandlung musste Robby weitere lange Monate im Zirkus ausharren.

April 2017: Gericht entscheidet für Robbys Umzug zu Artgenossen – Zirkus will in Berufung gehen

2017 wies das Verwaltungsgericht Lüneburg die Klage des Zirkusdirektors gegen die Abgabeverfügung durch den Landkreis Celle ab (Urteil vom 27.04.2017, Az. 6 A 461/15). Robby sollte in die Auffangstation „Stiftung AAP“ umziehen, um seine letzten Lebensjahre mit Artgenossen verbringen zu dürfen. Der vom Gericht bestellte Gutachter sah gute Chancen für eine erfolgreiche Rehabilitation des Schimpansen. Laut Gutachter leidet Robby unter einer schwerwiegenden Verhaltensstörung, da ihm der Kontakt zu Artgenossen fehlt [8] Weil das Urteil noch nicht rechtskräftig war, musste Robby zunächst weiter im Zirkus bleiben. Doch Zirkusdirektor Köhler ging in Berufung, weil er Robby weiterhin im Zirkus halten wollte.

November 2018: Entscheidung am Oberverwaltungsgericht – Robby bleibt in tierschutzwidriger Einzelhaltung

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg urteilte im November 2018, dass der inzwischen etwa 43 Jahre alte Robby nicht in eine Auffangstation zu Artgenossen umziehen darf (Urteil vom 08.11.2018; Az. 11 LB 34/18). Dabei stellte das Gericht ausdrücklich fest, dass die Einzelhaltung des Menschenaffen im Zirkus nicht artgerecht ist und gegen § 2 des Tierschutzgesetzes verstößt.

Robby ist auf den Menschen fehlgeprägt und leidet wegen der Isolation unter schwerwiegenden Verhaltensstörungen, die auch amtstierärztlich diagnostiziert wurden. Diese äußern sich darin, dass es Robby aufgrund des fehlenden Kontakts zu Artgenossen nicht möglich ist, ein artgerechtes Sozialverhalten auszuleben. Auch zeige Robby Anzeichen einer Lern- und Entwicklungsstörung.Allerdings sei hinsichtlich Robbys fortgeschrittenen Alters zuvor nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass der Prozess der Resozialisierung langwierig sei und sich möglicherweise über bis zu dreieinhalb Jahre ziehen könnte. Zudem würde Robby bei erfolgreicher Resozialisierung aller Voraussicht nach „nur“ in einer Gruppe von zwei bis drei Schimpansen leben, was ebenfalls nicht der artgemäßen sozialen Gruppenstruktur von Schimpansen entspräche. [9] Denn in der Natur leben Schimpansen in komplexen sozialen Gruppen, die sich in wechselnde kleinere Untergruppen aufteilen und wieder zusammenkommen (sogenannte „Fission-Fusion-Gemeinschaften“). 

Obwohl jeglicher Sozialkontakt zu Artgenossen bereits eine Verbesserung für Robby bedeutet hätte, ist er nun weiterhin zu einem einsamen Zirkus-Dasein verdammt.

Robby lebt weiterhin auf wenigen Quadratmetern eingepfercht

Robbys Lebensbedingungen sind nach wie vor katastrophal – noch immer lebt er im Circus Belly allein in einem zum Käfigwagen umgebauten kleinen LKW-Anhänger. Auch wenn er für sein Alter in einer guten körperlichen Verfassung zu sein scheint, entschuldigt dies nicht die seelischen Wunden, die ihm durch die jahrzehntelange, zutiefst artwidrige Einzelhaltung zugefügt wurden.

Da die Zirkusleitlinien eine Haltung von Menschenaffen im Zirkus nicht vorsehen, stehen Robby die Mindestanforderungen für die Schimpansenhaltung gemäß Säugetiergutachten zu. Demnach müssten Robby insgesamt 400 Quadratmeter zur Verfügung stehen und sowohl Innen- als auch Außengehege mit zahlreichen Klettermöglichkeiten ausgestattet sein. Selbst wenn sämtliche Gittergehege aufgebaut sind und die Temperaturen den Zugang zum Außenbereich erlauben, hat Robby bei Circus Belly nur rund 65 Quadratmeter zur Verfügung. Ausreichende Kletter-, Beschäftigungs- und Versteckmöglichkeiten gibt es nicht. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass Circus Belly künftig wenigstens die offiziellen Mindestanforderungen für die Schimpansenhaltung einhalten muss, gegen die der Zirkus seit Jahren verstößt.

Wieso darf Circus Belly überhaupt einen Schimpansen einsperren?

In Deutschland sind grundsätzlich alle Tierarten zur Mitführung in Zirkusbetrieben erlaubt. Lediglich ein Gutachten mit Empfehlungscharakter aus dem Jahr 2000, die sogenannten Zirkusleitlinien, soll Amtstierärzt:innen fachliche Unterstützung bei der Haltungsbeurteilung exotischer Tierarten geben. In dem Gutachten wird empfohlen, keine Menschenaffen im Zirkus mehr zuzulassen. [10] Doch für die Haltung des Schimpansen im Circus Belly lag bereits vor der Veröffentlichung dieser Leitlinie eine Genehmigung vor. Die für den Zirkus zuständige Genehmigungsbehörde, das Veterinäramt des Kreises Celle, duldete daher zunächst seinen Verbleib im Zirkus und erteilt wiederholt befristete Ausnahmegenehmigungen. [11] Allerdings bestätigte die Veterinärbehörde 2015, dass die Haltung nicht artgerecht ist und heutzutage nicht mehr genehmigt würde. [12]

Könnte Robby wieder ein Schimpansenleben führen?

Zirkusdirektor Klaus Köhler schürt in der Öffentlichkeit Bedenken, dass eine Überführung von Robby in die Auffangstation sein „Todesurteil“ bedeuten würde. [13] Dabei würde Robby dort weder einfach mit anderen Tieren „zusammengesteckt“ noch dauerhaft isoliert. Auch wenn Circus Belly angibt, Robby würde zur Familie gehören, so stellt sich das aus Robbys Sicht anders dar: Er hatte keine Wahl und musste sich mit den Menschen arrangieren. Robby leidet fortwährend unter diesem trostlosen Leben ohne Artgenossen.

Auffangstationen sind darauf spezialisiert, Schimpansen zu resozialisieren, die ihr ganzes Leben unter solchen vermenschlichten Haltungsbedingungen leben mussten. Die Expert:innen haben jahrzehntelange Erfahrung in der Rettung von Schimpansen, auch aus Einzelhaltung, wie Robby sie erfahren musste. Nach einer Quarantänephase beginnt die Resozialisierung, bei der die Tiere über einen längeren Zeitraum hinweg behutsam auf ein erstes Zusammentreffen vorbereitet werden. Dies geschieht zunächst über Hör-, Geruchs- und Sichtkontakt, dann über Berührkontakte durch benachbarte Gehege, stets unter der qualifizierten Aufsicht eines Teams aus Verhaltensbiolog:innen, Veterinärmediziner:innen und Tierpfleger:innen. Erst wenn sicher ist, dass der Schimpanse mit Artgenossen gut zurechtkommt, würde er zu einem oder zwei Artgenossen gelassen. Die Erfahrung der Experten hat gezeigt, dass es auch nach jahrzehntelanger Einzelhaltung noch gut möglich ist, Schimpansen in eine Sozialgruppe zu integrieren.

Wie Sie Robby und anderen Wildtieren im Zirkus helfen können

  • Tiere gehören nicht in den Zirkus – jede Tierart, egal ob Wildtier oder domestiziert, leidet in Gefangenschaft. Bitte besuchen Sie keine Zirkusse und andere Shows, für die Tiere ausgebeutet werden.