Von Washington D.C. bis nach Neu Delhi, Mitgefühl vereint uns

Wie viele andere Menschen, die sich Barack Obamas Amtseinführung angesehen haben, bin auch ich nicht in Amerika entstanden, aber ich bin typisch amerikanisch: Ich komme von woanders.

In meinem Fall wurde ich in Dänemark gezeugt, wuchs an der wilden und rauen englischen Küste in Cornwall auf, ging auf den Orkney Islands zur Schule und überquerte zu diesem Zweck den Ozean in einem Leichtflugzeug. Danach gingen wir in Frankreich mit Clogs zur Schule, ich verbrachte 8 Jahre mit vielen Bären im ewigen Eis bei Shirnla in Indien und heiratete in Spanien während der schlimmen Tag des Kriegsrechts des General Franco. Nun lebe ich in einer mittelgroßen Stadt der Vereinigten Staaten von Amerika. Ich bin nun schon seit mindestens 30 Jahren Amerikanerin.

Amerika ist ein Schmelztiegel – ich kann die Einwohner dieses Landes beschreiben, wenn ich von Menschen aus Uganda, Uruguay oder Utah spreche. Einige Amerikaner entringen den Menschen Freudentränen, andere provozieren Entrüstung, aber Amerikaner sind nicht besser oder schlechter als alle anderen Menschen. Wir alle haben unsere eigenen Sorgen über Beziehungen, Kinder, unsere Gesundheit und den Tod. Einige geben so viel Liebe, andere wiederum haben Angst oder sind von Hass erfüllt. Die meisten haben viele verschiedene Gefühle.

Und doch gibt es einige universelle Werte, die alle Unterschiede überwinden und die Menschen – wie die Tiere – vereinen, z.B. Verständnis, gegenseitige Hilfe und das Erbringen von Opfern. Als ich in Indien war, sah ich eine obdachlose Frau auf einer Brücke, die eine handvoll gekochtem Reis aus ihrem Rocksaum holte und ihn auf ein flaches Blatt legte, das sie einige Zentimeter von sich weg schob. Eine Mutterhündin tauchte vor ihr auf, wedelte verhalten und vorsichtig mit dem Schwanz, Kopf gebeugt, in einer unterwürfigen Pose. Die Frau ließ die Hündin essen und wartete neben ihr, um sie während ihrer Mahlzeit zu beschützen.

Als ein Flugzeug eines Winters in die 14th Street Bridge in Washington stürzte, weil es zu kalt für de Auftriebshilfen war, bekam man genau die gleichen Werte zu sehen. Menschen aller Nationalitäten – schließlich sprechen wir hier von Washington – mussten mit ihren Autos auf der Brücke warten. In den Nachrichten sah man viele Menschen, die, so gut es ging, zu Fuß entkamen. Andere lehnten sich über das Brückengeländer, um herauszufinden, ob sie irgendetwas tun könnten. Einige schrien den Flugzeugpassagieren durch all den Wind und Schnee aufmunternde Worte zu, die versuchten, über dem eiskalten Wasser am Leben zu bleiben.

Im Nachhinein hörte man, dass einige Menschen in der Flugzeugkabine, die mit kaltem Wasser volllief, andere Menschen überrannten oder sie in ihrer Panik um das nackte Überlegen wegstießen. Doch ein Mann, ein Amerikaner, blieb in dem Fluss; er war halb im, halb außerhalb des Flugzeugs und hievte andere Passagiere aus dem Wrack, die es selbst vielleicht nicht geschafft hätten. Er half so lange er nur konnte, bis seine Finger und seine Füße erfroren und er starb. Ich bin mir sicher, dass es ihm egal war, woher die Menschen stammten.

Amerika wird als Schmelztiegel bezeichnet, weil unser Land Menschen aller Herkünfte, Religionen und Hautfarben ein Zuhause ist. Trotzdem ist Amerika nicht perfekt und auch hier gibt es die Besten, die Schlechtesten und die Durchschnittlichen. Innerhalb einiger Generationen vergessen oder verleugnen viele junge Menschen sogar die Herkunft ihrer Großeltern oder früheren Vorfahren; doch niemand kann bestreiten, dass alle von uns – selbst die, die Ureinwohner des Landes genannt werden – irgendwo anders herkommen. Und alle von uns sind auf die wirklich entscheidende Weise schlichtweg Bewohner dieses Planeten mit dem Potential, mitfühlende Bürger zu sein.