Scharfe Kritik von PETA: Hessischer Staatsgerichtshof gibt Klage der FDP-Landtagsfraktion statt – Jungwaschbären dürfen in Hessen wieder ganzjährig bejagt werden

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Hessen / Stuttgart, 6. März 2020 – Seit Füchsen und anderen Beutegreifern im Rahmen der Novellierung des hessischen Jagdgesetzes 2015/2016 zumindest kurze Schonzeiten gewährt wurden, klagt die FDP-Landtagsfraktion dagegen. Jetzt gab der Hessische Staatsgerichtshof der Klage der FDP-Landtagsfraktion gegen die Jagdverordnung der Landesregierung bezüglich der Schonzeiten für fünf Wildtierarten statt. Konkret muss nach dem Urteil nun die Jagd auf junge Waschbären, Füchse und Marderhunde wieder ganzjährig zugelassen werden, zudem kassierte das Gericht das vollständige Jagdverbot auf Blässhühner und Steinmarder im Monat Februar. Die Aufhebung der Schonzeit für Jungwaschbären wurde bereits von der hessischen Umweltministerin Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) auf den Weg gebracht, die geänderte Verordnung trat am 25.02.2020 in Kraft. Der Landesjagverband begrüßte das Urteil des Staatsgerichtshofes und drängt nun auf eine weitere zeitnahe Umsetzung der Verordnung zur Aufhebung der Schonzeiten für Jungfüchse und Jungmarderhunde. PETA kritisiert diesen Rückschritt und fordert Staatsministerin Hinz auf, sich nicht dem Druck der Jägerschaft zu beugen.
 
„Es ist ein Skandal, dass der Hessische Staatsgerichtshof der Klage der FDP-Landtagsfraktion stattgegeben hat“, so Nadja Michler, Fachreferentin für Wildtiere bei PETA. „Zahlreiche Studien belegen, dass Waschbären keine Probleme für gefährdete Tierarten darstellen und die Jagd allgemein nicht geeignet ist, um Wildtierpopulationen zu regulieren. Vielmehr werden sie von Jägern und bestimmten Politikern für eine verfehlte Agrar- und Forstpolitik zum Sündenbock gemacht. Dem Landesjagdverband geht es lediglich darum, nun auch ganze Waschbärfamilien auslöschen zu können. Wir appellieren daher an Umweltministerin Priska Hinz, die Aufhebung der Schonzeiten für Jungwaschbären zurückzunehmen und sie nicht auch auf Füchse und Marderhunde auszuweiten. “

Hintergrundinformationen
PETA hatte bereits im August 2018 in einem Schreiben Staatsministerin Hinz gebeten, sich dem Druck des Landesjagdverbandes zu widersetzen. In Dutzenden Jagdbezirken der Wetterau sowie der hessischen Rhön haben Jäger unter dem Deckmantel des Artenschutzes erreicht, dass die gesetzlichen Schonzeiten für Füchse und Waschbären komplett aufgehoben wurden. Hinz antwortete der Tierrechtsorganisation, dass sie keine Notwendigkeit sehe, Füchse ganzjährig zu schonen.
 
Führende Waschbär-Experten fanden heraus, dass die Tiere mit erhöhter Fortpflanzung auf die Jagd reagieren. In bejagten Populationen ist der Anteil der sich fortpflanzenden Weibchen höher als in nicht bejagten Populationen: Je mehr Waschbären getötet werden, desto mehr Jungtiere kommen zur Welt. So werden die Verluste durch die Jagd in der Population rasch wieder ausgeglichen oder gar überkompensiert. [1, 2] Auch der Wildbiologe und Waschbär-Experte Dr. Ulf Hohmann fordert ein Umdenken: „Ich kenne keinen einzigen Wissenschaftler oder Jagdexperten, der ernsthaft glaubt, den Tieren mit jagdlichen Mitteln Einhalt gebieten zu können. Wir müssen uns einfach damit abfinden, dass der Waschbär sich bei uns wohl fühlt und wir ihn nicht regulieren können. Insofern müssen wir uns mit ihm arrangieren.“ [3]
Langjährige Forschungsergebnisse von führenden Waschbär-Experten weisen zudem darauf hin, dass der Waschbär keine wesentliche Gefahr für die Natur und Artenvielfalt darstellt. Die Tiere ernähren sich in der Regel vornehmlich von leichter Beute wie Regenwürmern, Insekten oder Obst. [4, 5, 6] Für Populationsrückgänge betroffener Arten, wie beispielsweise der Sumpfschildkröte, ist in erster Linie der Mensch verantwortlich: Der Lebensraumverlust durch die Begradigung von Flüssen und die tödliche Gefahr durch den Straßenverkehr haben die Reptilien an den Rand des Aussterbens gebracht. [7]

Anerkannte Wildbiologen sind sich einig, dass aus ökologischer Sicht keine Notwendigkeit für die Jagd im Allgemeinen besteht. Dem renommierten Biologen Prof. Dr. Josef Reichholf zufolge müssen die nahezu ausgerotteten Wölfe nicht durch menschliche Jäger ersetzt werden, da eine natürliche Regulation der im Wald wohnenden Tierpopulationen durch Umwelteinflüsse wie Witterung, Nahrungsverfügbarkeit oder Krankheiten stattfindet. [8] Der Kanton Genf, in dem die Hobbyjagd seit über 40 Jahren verboten ist, ist nur ein Beispiel hierfür, hier reguliert sich die Natur in erster Linie selbst. Das Resultat: eine hohe Artenvielfalt und gesunde, stabile Wildtierpopulationen. Der Biologe Dr. Karl-Heinz Loske sieht in der Jagd lediglich ein überflüssiges Hobby, das der Befriedigung der Jagdlust der Jäger dient. Als er in jungen Jahren einen Jagdschein machte, sei ihm schnell klar geworden, dass dies dass dies nicht viel mit Natur- und Artenschutz gemein hat. Heute ist Dr. Loske ein anerkannter Experte für Landschaftsökologie, für den die Jagd weder aus ökologischer noch aus moralischer Sicht zu verantworten ist. [9]
 
PETAs Motto lautet: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein: eine Weltanschauung, die den Menschen als allen anderen Lebewesen überlegen einstuft.
 
[1] Michler, F.-U. F., im Interview mit Pergande, F. (2013): Waschbären. – Die Rasselbande zerstört alles. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/umwelt/waschbaeren-die-rasselbande-zerstoert-alles-12173341.html. (14.11.2019).
[2] Stadt Kassel (2014): Waschbär – Die Tiere mit der Zorromaske. Stadt Kassel – Ordnungsamt mit Unterstützung von Roland Ruhnau, Naturkundemuseum Kassel, und Dr. Ulf Hohmann, Landesforsten Rheinland-Pfalz.
[3] Hohmann, U., im Interview mit Saurer, M. (2017): Invasive Art. – Jetzt streunen die Waschbären durch unsere Wälder. In: Badische Zeitung. Abrufbar unter: http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/jetzt-streunen-die-waschbaeren-durch-unsere-waelder–135843094.html. (14.11.2019).
[4] Michler, B. (2015): Unsuspicious immigrant or ecological threat: a long-term fieldwork study on the introduced raccoon in Germany. ECM Stockholm 2015.
[5] Michler, B. A./Michler, F.-U./Rieger, S./Roth, M. (2014): Effects of raccoon settlement in Germany – a closer look at the ecology of an unfamiliar invasive species. In: Ulbrych, L./Jankow, W./Zalewski, A./Wypychowski, K. (eds.): Ekologia i wplyw na srodowisko gatunków inwazyjnych. – Park Narodowy „Ujscie Warty“, pp. 69–71. Abstract.
[6] Hohmann, U. im Interview mit Saurer, M. (2017): Invasive Art Jetzt streunen die Waschbären durch unsere Wälder. In: Badische Zeitung. Abrufbar unter: http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/jetzt-streunen-die-waschbaeren-durch-unsere-waelder–135843094.html. (14.11.2019).
[7] Richter C. (2012): Video: Sumpfschildkröte – willkommen zurück! In: Das Erste. (09.11.2016).
[8] Reichholf, J. H.: Die Wahrheit über die Jagd – Evolutionsbiologe Prof. Josef Helmut Reichholf widerlegt Jägerlügen. TV-Dokumentation SWR BW. (15.05.2014).
[9] Loske, K. (2016): Das Wider der Jagd. TV-Beitrag WDR.

Weitere Informationen:
PETA.de/Jagd-auf-Waschbaeren

Pressekontakt:
Carolin von Schmude, +49 711 860591-528, [email protected]

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