Tierzucht: So leiden Tiere in der Landwirtschaft unter der Zucht

In der industriellen Tierhaltung stehen zwei Elemente im Vordergrund: Leistung und Ertrag. Je mehr Eier und Milch die Tiere „produzieren“, je schneller und größer sie in kürzester Zeit wachsen und je mehr Fleisch sie ansetzen, desto höher der Profit der Industrie. Erfahren Sie hier mehr über die Folgen der Tierzucht und wie sehr die Tiere unter Qualzuchten leiden.

Inhaltsverzeichnis

Wie funktioniert eine Tierzucht?

Die Tierzucht in der Landwirtschaft funktioniert nach demselben Prinzip wie in der Heimtierindustrie: Über Generationen wurden und werden im Zuchtverfahren fast nur die Tiere ausgewählt und vermehrt, die die von der Industrie gewünschten Kriterien erfüllen. Die Verpaarung geschieht dabei meist unter Zwang oder auf künstlichem Wege durch Menschenhand, der ebenfalls von Gewalt geprägt ist, da die Tiere beispielsweise fixiert werden müssen.

Wie kommt es zu Qualzuchten?

Krankheiten und schmerzhafte Veränderungen sind unweigerliche Auswüchse der Zucht auf Leistung. Eigentlich ist daher gerade ein solches Vorgehen in der Tierzucht laut § 11b Tierschutzgesetz als Qualzucht verboten. [1] Aber wie so oft im Tierschutz werden auch rechtliche Mindestregelungen schwammig formuliert oder durch Ausnahmeregelungen aufgeweicht.

Um auf dieses Vollzugsdefizit hinzuweisen und geltendes Recht durchzusetzen, haben wir von PETA Deutschland beispielhaft Strafanzeigen gegen führende Zuchtunternehmen für Tiere der folgenden „Rassen“ und Linien gestellt.

Diese Qualzuchten gibt es

Schweine in der Mast: Qualzuchtrasse Piétrain

Die Hochleistungsrasse Piétrain wurde vor allem auf besonders schnelles Muskelwachstum gezüchtet. In der Schweinemast muss das Gewicht der Tiere innerhalb von sechs bis sieben Monaten von 1,5 Kilogramm auf bis zu ca. 110 Kilogramm ansteigen. Das bedeutet, dass jedes Schwein ungefähr 500 Gramm pro Tag zunehmen muss. [2] Dies hat einen desolaten Einfluss auf die Gesundheit der Tiere und macht ein Leben ohne Schmerzen gerade in den späteren Lebenstagen praktisch unmöglich.

Das häufigste Problem sind Krankheiten des Bewegungsapparates der Tiere, die nicht in der Lage sind, der extrem schnellen Gewichtszunahme standzuhalten. Bewegungsstörungen oder eine Veränderung der Beinstellung betreffen laut Studien 55 bis 90 Prozent aller Tiere. [3] Die krankhaften Veränderungen sind so verbreitet, dass sie oft als „gewöhnliches Wachstumsmuster“ bezeichnet werden. [4] Oft verweilen die Tiere im krankhaften „Hundesitz“, [5] zeigen Schmerzen beim Aufstehen, laufen auf Zehenspitzen oder Handwurzelgelenken, um die schmerzenden Gelenke zu entlasten. In extremen Fällen sind sie nicht einmal mehr in der Lage, aufzustehen.

schwein pietran

Die miserablen Haltungsbedingungen auf Spaltenböden aus Beton sowie die oftmals katastrophalen hygienischen Zustände und eine eintönige Umgebung sind dabei nur ein zusätzlicher Faktor, der die Qualen der Tiere noch unerträglicher macht. Generell gilt die Sterberate und Krankheitsanfälligkeit bei den Piétrain-Schweinen als besonders hoch. Die schnelle Körpermasseentwicklung kann u. a. auch zu Herz-Kreislauf-Störungen (und Tod infolge von Herz- und Kreislaufinsuffizienz) sowie zur Muskelfaserzerstörung führen. [6]

Auch steuerfinanzierte Bundesforschungsanstalten beteiligen sich an dieser tierschutzwidrigen Hybrid- und Leistungszucht. In der Hybridzucht werden verschiedene Zuchtlinien bzw. Rassen miteinander gekreuzt.

Hühner in der Eierindustrie: Qualzuchtlinien LSL und LB

Die sogenannten Legehybriden Lohmann Selected Leghorn und Lohmann Brown wurden auf eine hohe „Legeleistung“ gezüchtet und werden vor allem in der Käfig- und Bodenhaltung, aber auch in der Freilandhaltung eingesetzt. Sie legen über 300 Eier im Jahr [7] – eine enorme Zahl im Vergleich zu 18 bis 30 Eiern pro Jahr beim Urhuhn. [8] Aufgrund der hohen Belastung sterben bis zu zehn Prozent der Tiere während der Legeperiode [9], viele von ihnen werden aufgrund der extrem hohen Eianzahl krank.

Zu den häufigsten zuchtbedingten Krankheiten gehören Eileiterentzündungen, die bis zu 30 Prozent aller Tiere betreffen können und eine der häufigsten Todesursachen sind. [10]

Die Knochen der Tiere dienen als Speicher für Kalzium, das für die Eierschalenbildung nötig ist. Da die extrem hohe Legeleistung den Kalziumhaushalt der Tiere sehr stark beansprucht und mehr Kalzium gebraucht wird, als durch Nahrung zugeführt werden kann, leiden viele Tiere an Osteoporose. Diese kann zu reduzierter Knochenfestigkeit und vermehrt zu Knochenbrüchen führen. [11, 12] Eine Studie der Universität Kopenhagen zeigte, dass von 5.000 Hennen in 40 überprüften Gruppen nicht weniger als 85 Prozent der Tiere mindestens einmal an einem gebrochenen Brustbein litten. [13]

Huhn auf einer Biofarm

Auch Federpicken und Kannibalismus (schmerzhaftes Bepicken, besonders im Kloakenbereich) können auf die zuchtbedingt veränderte Genetik der Tiere zurückgeführt werden. [14]

Solche „Turborassen“ werden schnell unwirtschaftlich für die Betriebe, da ihre kleinen Körper der Qualzucht nicht lange standhalten. Sie werden immer kränker und legen weniger Eier – nach nur etwa einem Jahr, also einer Legeperiode, werden sie im Schlachthof getötet.

Hühner in der Mast: Qualzuchtlinie Cobb

„Masthühner“ werden auf eine hohe tägliche Zunahme und eine übergroße Brustmuskulatur gezüchtet. Innerhalb von nur circa einem Monat (34-37 Tagen) steigt das Gewicht eines Kükens von 40-45 Gramm auf 2 bis 2,2 Kilogramm. Das ist ungefähr so, als würde ein neugeborenes Kind in einem Monat ein Gewicht von 175 Kilogramm erreichen.

Bei sogenannten Masthühnern macht heute der Anteil des Brustfleisches bereits mehr als ein Viertel des gesamten Körpers aus. Die Tierverluste während der Mast liegen bei ca. fünf bis sieben Prozent. [15]

Zu den leistungsbedingten Gesundheitsproblemen gehören vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie z. B. der plötzliche Herztod. Dieser kann schon ab dem zweiten bis dritten Lebenstag beobachtet werden, tritt aber über die gesamte Wachstumsphase auf. Dabei verenden die Tiere plötzlich und ohne erkennbare Anzeichen; meist werden sie auf dem Rücken liegend tot aufgefunden. [16]

Huehner einer Mastanlage

Oft kommt es auch zu Gelenkerkrankungen, die Studien zufolge 55-90 Prozent der Tiere betreffen. Bei bis zu einem Drittel der Tiere tritt akute Lahmheit auf. [17] Die Symptome reichen von Bewegungsunlust über Bewegungsstörungen bis zu einer völligen Laufunfähigkeit. [18] Wie schmerzhaft solche Erkrankungen sind, wird anhand von Studien deutlich: Ein Versuch zeigte, dass „Masthühner“ mit Zugang zu Schmerzmitteln sich mehr und schneller fortbewegten. [19]

Ähnliches gilt für die Qualzuchtlinie Ross.

Puten in der Mast: Qualzuchtlinie BUT Big 6

Puten der Linie Big 6 werden vor allem auf hohe tägliche Zunahmen und den Anteil der Brustmuskulatur gezüchtet. Die Tiere erreichen innerhalb von 20-23 Wochen ein Körpergewicht von über 20 Kilogramm. [20] Aufgrund des hohen Körpergewichts sind viele natürliche Verhaltensweisen, wie z. B. die Gefiederpflege, kaum mehr möglich. Die Verschmutzung des Gefieders sowie die eingeschränkte Mobilität führen oftmals zu schwerwiegenden Problemen wie Federpicken und Kannibalismus, wodurch großflächige, blutende Wunden entstehen können.

Fußballenerkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates und Beinschwäche aufgrund der hohen Gewichtszunahme sind weit verbreitete Probleme in der Putenzucht, die bis zu 90 Prozent der 12 Wochen alten Tiere betreffen können. [21] Durch die eingeschränkte Mobilität und das Verweilen auf schmutziger Einstreu kommt es oft zu schmerzhaften Veränderungen im Brustbereich, wie z. B. Brustblasen. [22]

putenmast

Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie z. B. Aortenrupturen, stellen ein großes Problem dar, das in Herden zu Verlusten von bis zu 50 Prozent führen kann. [23] Ein weiterer häufiger Todesgrund bei den schnell wachsenden Puten ist das plötzliche Herz-Kreislauf-Versagen (Sudden Death Syndrome).

Durchschnittliche Verlustraten von ca. zehn Prozent gelten als systemkonform.

Kühe in der Milchindustrie: Qualzuchtrasse Holstein

Sogenannte Milchkühe werden vor allem auf eine enorm hohe Milchleistung gezüchtet; eine Holstein-Kuh muss teils bis zu 10.000 Liter Milch im Jahr produzieren. [24] Aufgrund der extrem hohen Produktion leiden viele Tiere an schmerzhaften Eutererkrankungen, wie z. B. Mastitis. [25]

Mit den enormen Milchmengen werden auch große Mengen von Nährstoffen, wie z. B. Kalzium oder Magnesium, aus dem Körper der Tiere ausgeschieden, was Stoffwechselstörungen zur Folge hat. [26] Diese werden durch das für Kühe unnatürliche Kraftfutter weiter begünstigt. [27] Durch die hohe Milchleistung entsteht eine negative Energiebilanz, die zu zahlreichen Stoffwechselerkrankungen führen kann. [28]

Der aus der Milchleistung resultierende Nährstoffmangel hat zudem Einfluss auf den Zustand der Klauen und kann zu Erkrankungen führen. [29] Auch Fruchtbarkeitsstörungen gelten als Auswirkung der extrem hohen Milchproduktion. [30]

Aufgrund dieser züchterischen Belastungen – in Kombination mit den artwidrigen Haltungssystemen in Laufställen oder der Anbindehaltung – werden Kühe mit nur durchschnittlich 5 Jahren im Schlachthof getötet. Die natürliche Lebenserwartung von Rindern liegt bei bis zu 20 Jahren.

holstein

Qualzuchten in Bio-Betrieben

Auch in der biologischen Landwirtschaft werden teilweise Tiere sogenannter Qualzuchtrassen gehalten und gezüchtet. Auch hier wird das Leid der Tiere für einen möglichst großen Profit billigend in Kauf genommen. Und auch alle anderen Tierrassen, die auf Bio-Betrieben gehalten werden, sind auf eine unnatürlich hohe „Leistung“ gezüchtet und leiden unter den körperlichen Strapazen. Wirtschaftlichkeit und ein artgerechtes Leben schließen sich immer aus – spätestens im Schlachthaus.

Wie Sie den Tieren in der Landwirtschaft helfen können

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  • Quellen

    [1] Tierschutzgesetz (2016), ps://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/BJNR012770972.html (eingesehen am 08.09.2022)

    [2] German Genetic (2016): Aktuelle Leistungsdaten German Piétrain, http://www.german-genetic.de/attachments/article/90/Aktuelle-Leistungsdaten-German-Pietrain.pdf (eingesehen am 08.09.2022)

    [3] Hörning, B.(2013): „Qualzucht” bei Nutztieren – Probleme & Lösungsansätze, Hochschule Eberswalde, S. 9.; Demmler, D. (2011): Leistungsabhängige Gesundheitsstörungen bei Nutztieren für die Fleischerzeugung und ihre Relevanz für 11 b TierSchG

    [4] Seifert et al. (1981): Populationsgenetische Untersuchungen zum Vorkommen, zur Häufigkeit und zur depressiven Wirkung der juvenilen Osteochondropathien beim Fleischschwein

    [5] Kadarmideen / Janss (2005): Evidence of a major gene from bayesian segregation analyses of liability to osteochondral diseases in pig

    [6] Hörning, B. (2013): „Qualzucht” bei Nutztieren – Probleme & Lösungsansätze, S. 9

    [7] Lohmann Tierzucht GmbH: http://www.ltz.de/de/layers (eingesehen am 08.09.2022)

    [8] Decker, S.: Hühner. Planet Wissen, https://www.planet-wissen.de/natur_technik/haustiere/huehner/index.jsp (eingesehen am 08.09.2022)

    [9] Hörning (2013): „Qualzucht” bei Nutztieren – Probleme & Lösungsansätze, S. 9

    [10] Hörning (2008): Auswirkungen der Zucht auf das Verhalten von Nutztieren, S. 54

    [11] Hirt/Maisack/Moritz (2016): Kommentar zum TierSchG, 3. Auflage, § 11b Rn. 30

    [12] Hörning, B. (2013): „Qualzucht” bei Nutztieren – Probleme & Lösungsansätze, S. 9

    [13] Jens Peter Christensen, Jan Dahl, Ida Thøfner (13.08.2021): Keel bone fractures in Danish lying hens: Prevalence and risk factors, https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0256105, (eingesehen am 25.10.2022) [14] Glodek, P. et al (2001): Berücksichtigung des Tierschutzes bei der Züchtung landwirtschaftlicher Nutztiere. In: Zeitschrift Züchtungskunde. Heft 3, 2001, S. 163-181

    [15] Hörning, B. (2008): Auswirkungen der Zucht auf das Verhalten von Nutztieren, S. 46

    [16] Demmler, D. (2011): Leistungsabhängige Gesundheitsstörungen bei Nutztieren für die Fleischerzeugung und ihre Relevanz für 11 b TierSchG., https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/6036 (eingesehen am 08.09.2022)

    [17] Hörning, B. (2013): „Qualzucht” bei Nutztieren – Probleme & Lösungsansätze. S.10

    [18] Demmler, D. (2011): Leistungsabhängige Gesundheitsstörungen bei Nutztieren für die Fleischerzeugung und ihre Relevanz für 11 b TierSchG

    [19] Buchwalder, T., Huber-Eicher, B (2005): Effect of the analgetic butorphanol on activity behavior in turkeys (Meleagris gallopavo) / Hörning, B. (2013): „Qualzucht” bei Nutztieren – Probleme & Lösungsansätze, S. 10

    [20] Hiller, P. (2012): Abschlussbericht „Tierwohl und Nachhaltigkeit in der Putenhahnenmast“, http://www.lwk-niedersachsen.de/download.cfm/file/229,ff4f7315-f48a-b85f-681a4bce9f091721~pdf.html (eingesehen am 08.09.2022)

    [21] Hirt, H. (1997): Durch Zucht bedingte Haltungsprobleme am Beispiel der Mastputen; Hörning, B. (2008): Auswirkungen der Zucht auf das Verhalten von Nutztieren, S. 86

    [22] Demmler, D. (2011): Leistungsabhängige Gesundheitsstörungen bei Nutztieren für die Fleischerzeugung und ihre Relevanz für 11 b TierSchG; Hirt/Maisack/Moritz (2016): Kommentar zum TierSchG, 3. Auflage 2016, § 11b TierSchG, Rn. 29

    [23] Spindler, B. (2007): Pathologisch-anatomische und histologische Untersuchungen an Gelenken und Fußballen bei Puten der Linie B.U.T. Big 6 bei der Haltung mit und ohne Außenklimabereich

    [24] Brade und Brade (2013): Zuchtgeschichte der Deutschen Holsteinrinder, http://buel.bmel.de/index.php/buel/article/view/25/brade2-html (eingesehen am 08.09.2022)

    [25] Hörning, B. (2008): Auswirkungen der Zucht auf das Verhalten von Nutztieren, S. 63

    [26] Hofmann, W. (2007): Farbatlas der Rinderkrankheiten, S. 158

    [27] Hörning, B. (2013): Qualzucht bei Nutztieren – Probleme & Lösungsansätze, S. 7

    [28] Hofmann, W. (2007): Farbatlas der Rinderkrankheiten, S. 158

    [29] Bündnis 90 / Die Grünen: Wann ist Zucht Qualzucht, https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/tierschutz/PDF/FG-Tierschutz-Preussueberschae.pdf (eingesehen am 08.09.2022)

    [30] Dr. Cirsovius, T. (25.05.2022): Tierschutzrechtliche Vorgaben im Zusammenhang mit der Milchviehzucht, https://djgt.de/wp-content/uploads/2022/06/22_04_07_Cirsovius_Gutachten_Milchviehzucht.pdf (eingesehen am 25.10.2022)