Greenwashing: Özdemir stellt staatliches Tierwohllabel vor

Update vom 10. Juni 2022

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir plant ab 2023 ein staatliches Tierwohllabel in Form einer Tierhaltekennzeichnung. Ähnlich wie bei der Kennzeichnung von Eiern soll auf Verpackungen von Schweinefleisch angegeben werden, aus welcher Haltung das angebotene Fleisch von Schweinen stammt – von „Stall“ bis „Bio“.

Wir von PETA Deutschland lehnen die Haltungskennzeichnung ab, da sie nichts am speziesistischen System der Tierausbeutung ändert. Statt den enormen Arbeitsaufwand in die Entwicklung eines vermeintlichen Tierwohllabels zu investieren, hätte die Bundesregierung die Energie in wirklichen Tierschutz einbringen müssen:

  • Maßnahmen, um den Fleischkonsum drastisch zu verringern.
  • Weniger leidende Tiere durch den schnellen Abbau von Tierbeständen.

Mit dem ab 2023 geplanten Tierwohllabel betreibt die Bundesregierung leider Greenwashing für Konsument:innen, um deren Gewissen zu beruhigen, statt einen realen Unterschied für Millionen von Tieren zu bewirken. Die Botschaft, einfach weiterhin so viel Fleisch zu essen wie bisher, ist aber fatal: Denn die Produktion von Fleisch, Milch und Eiern treibt die Klimakatastrophe mitsamt der Zerstörung unserer Ökosysteme und somit unserer Lebensgrundlage unaufhörlich voran.

„Die Unterschiede zwischen den Stufen sind für die Tiere zudem so marginal, dass das Wort ‚Tierwohl‘ hier völlig fehl am Platz ist und einer Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher gleichkommt. Unzählige Recherche-Veröffentlichungen nach der Einführung der Kennzeichnung von Frischeiern haben die furchtbaren Lebensbedingungen von sogenannten Legehennen in Deutschland – auch jenen aus dem Bio-Bereich – enthüllt und gezeigt, dass kein Tier von einem Label profitiert. Wer ernsthaft etwas gegen die Tierquälerei im Agrarsystem tun will, greift zu Produkten mit Vegan-Label.“

Lisa Kainz, Fachreferentin bei PETA Deutschland e. V.

Originaltext vom 21. April 2022

Tierwohl-Label der Bundesregierung: Verbraucher­täuschung?

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Erstellung einer staatlichen und freiwilligen Tierwohlkennzeichnung. Auch die jetzige Regierung unter Landwirtschaftsminister Cem Özdemir möchte an diesen Plänen weitestgehend festhalten. So soll 2023 eine verbindliche Haltungskennzeichnung umgesetzt werden, die in einem ersten Schritt für Schweinefleisch gilt. Tatsächlich handelt sich jedoch nur um ein weiteres Siegel, das Verbraucher:innen beim Kauf von Fleischprodukten das schlechte Gewissen nehmen soll.

Geplante Haltungskennzeichnung reine Verbrauchertäuschung?

Die geplante Haltungskennzeichnung auf Fleischerzeugnissen soll auf einen Blick erkennbar machen, wie ein Tier gehalten wurde. Fraglich ist jedoch, ob und wie Verbraucher:innen auch darüber aufgeklärt werden, was die verschiedenen Haltungsformen tatsächlich für die Tiere bedeuten. Für Schweine beispielsweise unterscheiden sich die Lebensbedingungen zwischen den einzelnen Haltungsstufen kaum. Stattdessen könnte ein weiteres Label Verbraucher:innen eher zu einem noch höheren Fleischkonsum verleiten, weil sie höchstwahrscheinlich davon ausgehen, dass es dem Tier beispielsweise in den Haltungsstufen 2 bis 4 besser ergangen ist.

Diese Art der Verbrauchertäuschung ist mit der Kennzeichnung von Schaleneiern vergleichbar. Immer wieder wird es als Erfolg bezeichnet, dass Schaleneier aus der „schlechtesten“ Haltungsform mit der Nummer 3, also der Käfighaltung, seit der Einführung der Eierkennzeichnung in Supermärkten nicht mehr angeboten werden. Von vielen Verbrauchenden wird jedoch ausgeblendet, dass auch Tiere in der Boden- und Freilandhaltung enorm leiden. Zudem sind Eier aus Käfighaltung weiterhin in verarbeiteten Lebensmitteln enthalten oder werden in der Gastronomie verwendet – beides Bereiche, in denen keine Kennzeichnung vorgeschrieben ist.

Das für die Industrie nun verpflichtende Label soll 2023 zunächst für Schweinefleisch eingeführt werden, bevor es auch für die Rinder- und Geflügelhaltung umgesetzt wird. Laut Koalitionsvertrag soll die Haltungskennzeichnung dabei vier Stufen umfassen, die Verbraucher:innen über die Haltungsbedingungen von der Geburt des Tieres bis zur Tötung im Schlachthof informieren. [1]

Bereits im Mai 2021 wurde im Bundestag über die angestrebte Tierwohlkennzeichnung des BMEL entschieden. Dabei wurde unter anderem erkannt, dass die von der ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner angepriesenen „Verbesserungen“ so marginal gewesen wären, dass sie das Leid der Schweine nicht hätten mildern können. Deshalb wurde mehrheitlich gegen den damaligen Entwurf gestimmt. PETA befürwortete die Entscheidung des Bundestages, denn der verbrauchertäuschende Vorstoß vor den Bundestagswahlen hätte zu negativen Auswirkungen für die Tiere geführt. So wäre das Tierwohl-Label für das Fleisch von Schweinen vergeben worden, die auf engstem Raum auf Spaltenböden gehalten und deren Schwänze kupiert wurden. Zudem wurden im Entwurf der Bundesregierung weder die qualvolle Sauenhaltung noch die höllische CO2-Betäubung im Schlachthof berücksichtigt.

Die Mehrzahl der Schweine in der Fleischproduktion wird vor der Tötung im Schlachthof mithilfe von Kohlenstoffdioxid betäubt.

Label gaukelt mehr Tierwohl vor – doch „mehr Platz“ bedeutet weiterhin fast kein Platz

Das vierstufige System gaukelt Konsument:innen Transparenz bezüglich der verschiedenen Haltungsformen in der Schweinemast vor. Es wirbt beispielsweise mit mehr Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere in höheren Haltungsstufen, obwohl sich die Umsetzung kaum von den Mindeststandards unterscheidet.

Verglichen mit bereits existierenden „Tierwohl-Labeln“ bedeutet die höchste Tierwohlstufe teilweise ein Platzangebot von 1,5 Quadratmetern statt der gesetzlich erlaubten 0,75 Quadratmeter.

Schwein in Kastenstand

Das Problem: Tierwohl ist Auslegungssache

Eigentlich müsste den Verbraucher:innen klar sein, dass ein Leben in industriellen Zucht- und Mastbetrieben für die Tiere alles andere als artgerecht ist. Was in den Anlagen wirklich vor sich geht, lässt sich jedoch nur erahnen, denn Kontrollen finden viel zu selten statt. Immer wieder lösen verdeckte Aufnahmen Skandale aus, sorgen für öffentliche Diskussionen und geben uns den Anreiz, unsere Ernährung zu hinterfragen und nachhaltig zu ändern.

Kein bisheriges Siegel hat etwas an den kargen und kotverdreckten Buchten geändert, in denen Schweine ihr Leben verbringen müssen. Vielmehr werden immer neue Label eingeführt, die mit „Tierwohl“ werben, aber die offensichtlichen Missstände in diesen Betrieben ausklammern. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass sich kaum etwas verbessert: Die Label werben mit scheinbar fortschrittlichen Tierschutzstandards, die in der Realität jedoch oftmals die gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen kaum überschreiten und nichts mit „mehr Tierwohl“ zu tun haben. Zudem ist davon auszugehen, dass auch hier die Kontrollen versagen werden, wie dies in der landwirtschaftlichen Tierhaltung seit Jahrzehnten der Fall ist.

Bundesrechnungshof macht Fehlplanung der vorherigen Bundesregierung deutlich

In einem Bericht des Bundesrechnungshofes an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages macht dieser deutlich, dass immer wieder auf die fehlende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hingewiesen wurde. Es fehlte also eine Gegenüberstellung zwischen den mit der Einführung des Tierwohlkennzeichens verbundenen Kosten und dem erwarteten Nutzen. [6]

Daher ist es nicht verwunderlich, dass unter anderem die Rechnungsprüfer zu der Empfehlung gelangten, dass die Pläne für das freiwillige Tierwohllabel der Bundesregierung nicht weiterverfolgt werden sollten. Letztlich würde lediglich eine Erhöhung des gesetzlichen Mindeststandards zu einer nachhaltigen Verbesserung des Tierwohls führen – nicht aber ein weiteres Tierwohl-Label. [7]

Bisher wurden also Zehntausende Euro für Werbemaßnahmen sowie viel Zeit vergeudet, die in tatsächliche Verbesserungen für die Tiere hätten investiert werden können. Doch passiert ist in den letzten Jahren nichts – und das ist wohl auch das Ziel einiger Politiker:innen. Nach Meinung von PETA wird auch eine verbindliche Haltungskennzeichnung dieses Problem nicht lösen. Stattdessen sollte das Tierschutzgesetz dringend und umfassend reformiert werden.

schweine im kastenstand

Auch beim QS-Siegel gilt: Profit steht immer über Tierwohl

Die 2001 gegründete QS Qualität und Sicherheit GmbH (QS) will mit ihrem gleichnamigen QS-Siegel dafür sorgen, dass die Konsument:innen angesichts wiederholter Lebensmittelskandale wieder mehr Vertrauen zu deutschen Lebensmitteln und insbesondere zu Fleisch aufbauen. [8] Doch was die meisten Menschen nicht wissen: Das viel umworbene QS-Siegel wird weder durch eine staatliche Stelle vergeben, noch werden in entsprechenden Betrieben unabhängige Kontrollen durchgeführt. Vielmehr hat sich die Industrie selbst ein Siegel verliehen, das auf fast jeder Fleischpackung zu finden ist und eine falsche Sicherheit vorgaukelt.

Tierwohl-Versprechen haben nichts mit der Realität zu tun. Die Realität bedeutet nämlich in den meisten Fällen, dass Tiere ein leiderfülltes Dasein in kargen, überfüllten Ställen inmitten ihrer eigenen Exkremente fristen. Zahlreiche Veröffentlichungen von Tierschutzorganisationen zeigen Aufnahmen von Missständen, die in QS-Ställen dokumentiert wurden. Dazu gehören verletzte, tote und stark verwesende Tiere, Tiere, die in ihren Exkrementen leben müssen, sowie hohe Medikamentengaben.

Huehnermast Stall

Kein Tier will sterben – unabhängig von der Haltungsform

Tierwohl-Label sind in den meisten Fällen nur mit geringfügigen Verbesserungen für die Tiere verbunden. Für den Großteil der Tiere sind die angeblich „verbesserten“ Bedingungen kaum wahrnehmbar. Die Siegel bieten somit weder merkliche Vorteile für die Tiere, noch machen sie ihre Lebensbedingungen für Konsument:innen transparenter.

PETA wertet „Tierwohl-Label“ als Verbrauchertäuschung, denn kein Tier will wegen seines Fleisches oder zur Herstellung anderer tierischer Produkte vorzeitig getötet werden – ganz gleich, in welcher Haltungsform es leben musste.

Gerettetes Schwein Helga

Tierwohl-Label dienen eher dazu, das Gewissen der Verbraucher:innen zu beruhigen, statt eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Sie verlangsamen den politischen Prozess hin zu wirklichen Veränderungen für die Tiere sogar, denn sie gaukeln scheinbare Verbesserungen vor und bewirken, dass sich Konsument:innen und die Politik beruhigt zurücklehnen können.

Ganz gleich, ob QS-, Demeter-, Naturland-, Bio- oder anderweitige Zertifizierungen und Siegel: Tierische Produkte wie Fleisch, Milch und Eier werden in einer Industrie hergestellt, die auf maximalen Profit ausgelegt ist, Tiere lediglich als Ware betrachtet und entsprechend behandelt.

Was Sie tun können

Schweine und andere Tiere sind sensible und intelligente Lebewesen. Helfen Sie den Tieren, indem Sie Fleisch von Ihrem Teller streichen – für jeden Bedarf und Geschmack gibt es mittlerweile pflanzliche Alternativen.

Sie möchten den Tieren, die in der industriellen Landwirtschaft ausgebeutet werden, nachhaltig helfen? Dann entscheiden Sie sich für eine tierfreie vegane Lebensweise. Unser kostenloses und unverbindliches Veganstart-Programm begleitet Ihren Einstieg in ein tierleidfreies Leben 30 Tage lang mit nützlichen Tipps und leckeren Rezepten.