Tiere aufschneiden im Studium? Agrarbiologie-Studentin im Interview

Helen ist 23 Jahre alt und studiert seit zwei Jahren Agrarbiologie. Wie der Umgang mit Tieren an deutschen Universitäten aussieht, erzählt sie uns in einem kurzen Interview.

Helen, du studierst Agrarbiologie. Warum wird in diesem Bereich überhaupt seziert?

Agrarbiologie ist ein naturwissenschaftliches Studium mit einem großen Anteil Biologie. Es wird daher traditionell auch erwartet, „Praxiserfahrung“ in der Zoologie zu erwerben, also mit dem Sezieren von Insekten, Vögeln, Fischen und Säugetieren. JEDER Student soll die „Möglichkeit“ erhalten, ein Tier aufzuschneiden und zu begutachten – weil es nach Meinung einiger Verantwortlicher einfach dazugehört. Bei vier Kursen mit je 15 Personen kommt hier eine ordentliche Anzahl sinnlos getöteter Tiere zusammen – pro Semester, nur für diesen einen Studiengang.

Welche Tiere wurden von den Studierenden aufgeschnitten?

Angefangen haben wir mit Bienen, die mit einer Art Staubsauger aus dem Bienenstock geholt wurden. Durch ein Gas wurden sie in diesem Gerät getötet. Beim Sezieren sollten wir die Honigblase entfernen. Wer hier beim ersten Versuch scheiterte, konnte problemlos noch weitere getötete Bienen zum Sezieren erhalten – was auch für die anderen Tiere galt, es wurde bei allen Tieren für genug „Vorrat“ gesorgt. Nach der Biene folgten Kakerlaken, die extra für die Sezierkurse an der Uni gezüchtet und getötet wurden. Weiter ging es mit Fischen aus Zuchten, gefolgt von kleinen Küken. Zuletzt sollten wir Ratten und Mäuse aufschneiden – ebenfalls nur gezüchtet, um zu sterben.

Du hast dich irgendwann geweigert, weiter Tiere aufzuschneiden. Warum?

Weil wir in der heutigen Zeit, vor allem auch mit der vorhandenen Technik, eine Wahl haben. Die Tiere so sinnlos und in großer Menge zu töten, nur damit Studierende einen „aufgepeppten“ Unterrichtstag geboten bekommen, ist schlichtweg nicht in Ordnung.

Der kleine Teil der Studierenden, die im späteren Berufsleben Tiere sezieren oder sogar Tierversuche machen werden (die sowieso nicht zukunftsfähig sind und immer weniger Anwendung finden werden), wird später sowieso in speziellen Kursen trainiert. Im Grundstudium die Möglichkeit zu bekommen, Erfahrungen zu sammeln, die im weiteren Berufsleben nicht unbedingt gebraucht werden, ist an sich nichts Verwerfliches – wenn es um getötete Lebewesen geht, allerdings schon!

Wie haben deine Dozenten reagiert?

Die Dozenten und HiWis haben Druck aufgebaut und uns ein schlechtes Gewissen gemacht, weil die Tiere ja extra für uns getötet wurden – wer das nicht nutzen wollte, würde das also nicht zu schätzen wissen, hieß es. Sie haben zwar klargemacht, dass sie uns nicht zwingen können, aber es war mehr als deutlich, dass ihnen dieser „Verstoß“ gegen „Normalitäten“ (es wurde ja schon immer so gemacht) nicht gefiel. Einige meiner Kommilitonen gaben dem Druck aus Angst, schlecht bewertet zu werden, nach.

Am Ende hatten wir einige Mäuse übrig, die der Dozent wie Ramsch loswerden wollte. Es hieß: „Will jemand nochmal? Wir haben noch welche übrig!“ Ich kam mir vor wie auf dem Flohmarkt, wo jemand seine letzten alten Sachen noch irgendwie verscherbeln will. Im Studium ist mir leider klargeworden, dass die Tiere nicht als Lebewesen wahrgenommen werden, sondern als Objekte, die man nach Lust und Laune züchten, aufschneiden und wegwerfen kann.

War das Sezieren wichtig, um Zusammenhänge zu verstehen oder die Klausur zu meistern?

Das Sezieren war eine reine Spaßveranstaltung. Auf die Klausur haben wir natürlich sowieso nur mit beschrifteten Zeichnungen aus dem Lehrbuch gelernt, so wie man das auch aus dem Biokurs in der Schule kennt. Um den menschlichen Körper kennenzulernen, muss schließlich auch kein Schüler einen echten Menschen aufschneiden – detaillierte Zeichnungen oder Modelle im Biologie-Raum vermitteln das Wissen ausgezeichnet! Und auch im Studium braucht man keine toten Tiere, um den körperlichen Aufbau zu verstehen. Modelle oder Zeichnungen reichen da völlig aus. Dafür muss man keine Tiere töten, sondern kann sie mit Respekt behandeln und schlichtweg am Leben lassen. Von lebenden Tieren und ihren Verhaltensmustern hätten wir mehr gelernt als von diesem sinnlosen Massaker.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Mit der modernen Technik ist so viel möglich. Animationen und Zeichnungen in einer angepassten Größe und aus jedem Blickwinkel ermöglichen den Studierenden Einblicke, die sie beim Sezieren niemals erhalten – das wäre in diesem Rahmen gar nicht möglich. Mit tierfreien Lehrmethoden kann beispielsweise ein und dieselbe Abbildung immer wieder verwendet werden, anstatt immer und immer wieder Tiere nur zum Spaß zu töten. Ich hoffe, diese „Tradition“ landet bald in unseren Geschichtsbüchern und hilft uns so dabei, der eigentlichen Aufgabe von Biologen nachzukommen: Leben zu bewahren und nicht zu verschwenden.

Was Sie tun können

Wenn Sie selbst studieren, können Sie einiges für die Tiere tun:

Informieren Sie sich über die Grausamkeit und wissenschaftliche Unsinnigkeit von Tierversuchen und geben Sie diese Informationen auch an Freunde und Bekannte weiter!