
8 Jahre zu spät: BMEL legt Gesetzesentwürfe vor
Im Sommer 2018 hatte die EU-Kommission sechs EU-Länder wegen der fehlenden Umsetzung verschiedener Gesetzgebungen zum Schutz von Tieren in Versuchslaboren gerügt – darunter auch Deutschland. Dabei hatte jeder Mitgliedsstaat der EU schon bis zum 10. November 2012 die Aufgabe, die „Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz von zu wissenschaftlichen Zwecken genutzten Tieren“ in seiner nationalen Gesetzgebung umzusetzen. Nun, fast acht Jahre(!) nach Überschreitung der Deadline und mit einem Vertragsverletzungsverfahren der EU im Nacken, legt die Bundesregierung entsprechende Entwürfe vor. Diese sind jedoch weiterhin mehr als mangelhaft und halten teils Hintertüren offen, um weitermachen zu können wie bisher.
Mehr als 20 durch die EU-Kommission beanstandete Mängel sollen in den Entwürfen behoben werden, dazu sind Änderungen im Tierschutzgesetz und in der Tierschutz-Versuchstierverordnung notwendig. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch klar, dass die Bundesregierung an vielen Stellen versucht, tierschutzwidrige und europarechtswidrige Regelungen bei Tierversuchen beizubehalten.
PETA hat gemeinsam mit weiteren deutschen Tierschutzverbänden eine umfassende Stellungnahme [1] zu den mangelhaften Gesetzesentwürfen veröffentlicht.
Deutschland versucht, EU-Vorgaben zu missachten
Seit Jahren unternimmt Deutschland grobe Versuche, die EU-Vorgaben für mehr Tierschutz zu missachten. Nicht nur, dass die erforderlichen Gesetzesentwürfe der EU erst mit jahrelanger Verspätung und der Androhung rechtlicher Konsequenzen vorgelegt werden – die Entwürfe enthalten zudem dreiste Mängel, um die EU-Vorgaben durch Sonderregeln oder schlechte Formulierungen plump zu umgehen.
Prüfungsverbot der Genehmigungsbehörde
Einer der gröbsten Fehler in der bisherigen deutschen Gesetzgebung liegt darin, dass die Behörde, die einen Tierversuch genehmigt, diesen nicht selbstständig auf Unerlässlichkeit und ethische Vertretbarkeit prüfen darf. Die Behörde muss schlichtweg auf das vertrauen, was ihr der Antragsteller, also der Experimentator, dazu vorlegt, darf jedoch keine eigenen Recherchen anstellen. Dies ist nicht mit der EU-Vorgabe vereinbar. Doch der aktuelle Entwurf der Bundesregierung – der diesen Fehler eigentlich beheben sollte – ist so schwammig formuliert, dass offensichtlich wird: Das Prüfungsverbot für die Behörde soll aufrechterhalten bleiben.

Tierversuche in Aus-, Fort- und Weiterbildung
Weitere gravierende Fehler betreffen die Tierversuche zur Aus-, Fort- und Weiterbildung – also beispielsweise psychophysiologische Experimente im Medizinstudium an Mäusen, Sezierkurse im Biostudium oder Operationen an lebenden Schweinen und Schafen. Die EU verlangt ganz eindeutig, dass diese Tierversuche in Zukunft vorher genehmigt werden müssen – im Gegensatz zur bisherigen Regelungen in Deutschland, nach der die Behörden lediglich über die Versuche informiert werden müssen. Deutschland versucht jedoch, sich auch hier über die EU-Vorgaben hinwegzusetzen, indem es Sonderregelungen für diese Art Tierversuche einführen will:
Die Bearbeitungszeit soll von 40 auf 20 Tage halbiert und die üblicherweise erforderlichen Stellungnahmen von Tierschutzbeauftragten und der Tierversuchs-Kommission sollen als nicht notwendig gelten. Eine solche Gesetzeslage würde es den Genehmigungsbehörden erheblich erschweren, auf die vermeintliche „Unerlässlichkeit“ der Tierversuche zu prüfen und Tierversuche zu ermitteln, die bereits durch anerkannte, tierfreie Lehrmethoden ausgetauscht werden könnten und müssten. Denn was kaum bekannt ist: Während an Universitäten mit modernerem Lehrpersonal bereits tierverbrauchsfreie Lehrmethoden angeboten werden, halten andere Hochschulen unbeirrt an veralteten Tierversuchen fest.
Beanstandungen zu mehr als 20 weiteren Gesetzesabschnitten können der ausführlichen Stellungnahme entnommen werden.
Was Sie tun können
- Informieren Sie Freunde, Bekannte und Verwandte über die Unzulänglichkeit und Grausamkeit von Tierversuchen!
- Unterstützen Sie unseren Aufruf an Ministerin Klöckner des zuständigen Bundesministeriums, die Tierschutzvorgaben der EU gewissenhaft umzusetzen.
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Quellen
[1] Stellungnahme der Tierschutzverbände Ärzte gegen Tierversuche e.V., Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. und PETA Deutschland e.V. zu dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für ein Fünftes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes sowie zu dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für eine Verordnung zur Änderung versuchstierrechtlicher Vorschriften (Änderungen der Tierschutz-Versuchstierverordnung), 28.03.2020, URL: https://www.peta.de/mediadb/200328_Tierschutzverbaende_Stellungnahme_Aend_TierSchG_TierSchVersV.pdf