Tierhaltung in der Corona-Krise: Weniger Tötungen trotz voller Ställe

In den Ställen der Tierindustrie wird es immer voller: In der Corona-Krise haben einige Schlachthöfe ihre Kapazitäten heruntergefahren oder mussten vorübergehend schließen – landwirtschaftliche Tierhalter, vor allem Schweinebauern, haben somit weniger Abnehmer für ihre Tiere. Die Bauern beschweren sich über immer mehr Tiere und einbrechende Umsätze – doch sie tragen selbst eine nicht unerhebliche Mitschuld.

Ställe bleiben voll: Bauern beklagen öffentlich Leid trotz Mitschuld

Vor allem Betriebe in Niedersachsen, einem der Schwerpunkte der Schweinehaltung in Deutschland, befinden sich laut Landvolk Niedersachsen und der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) in einer existenzgefährdenden Notlage. Die Interessenverbände fordern deshalb stellvertretend für die Landwirte beispielsweise neben einer Verlängerung der Arbeitszeit auch die vorübergehende Aussetzung von Schlachtobergrenzen sowie Ausnahmen bei den gesetzlichen Platzvorgaben für die Tierhaltung – obwohl die bereits gegebenen Vorgaben äußerst spärlich sind. Was dabei verschwiegen wird: Die Schweinebauern sind für diesen Zustand mitverantwortlich.

Die Landesagrarministerin Niedersachsens, Barbara Otte-Kinast, gab sich bewegt und teilte mit, dass die Verzweiflung unter den Bauern sehr groß sei und es in den nächsten Wochen zu gravierenden Tierschutzproblemen in vielen Ställen kommen werde. Zusätzlich werde die Lage durch den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest verschärft, denn in vielen Ländern gelten Einfuhrverbote für Schweinefleisch aus Deutschland. [1] Die Halter befürchten, dass bis Weihnachten weit über eine Million Schweine in den Ställen stehen könnten.

Schweinemastbetrieb
Über 99 Prozent der Schweine, die ihres Fleisches wegen gehalten werden, leben in der konventionellen Tierhaltung.

Überfüllte Ställe aus Profitgier: Bauern sind mitverantwortlich

Die Bauern und ihre stellvertretenden Interessenverbände fordern extreme Maßnahmen und stellen sich als Leidtragende der Corona-bedingten Schließungen von Schlachthöfen dar.

Tatsächlich ist die landwirtschaftliche Tierhaltung an diesem Dilemma jedoch mitverantwortlich: Die Landesagrarministerin kritisierte einige niedersächsische Bauern, die mehr als 400.000 Ferkel aus Dänemark und den Niederlanden importierten, um sie in ihren Betrieben zu mästen – während andere Schweinebauern bereits keine Abnehmer für ihre Tiere mehr fanden. Otte-Kinast forderte die Bauern auf, ihre „Produktion“ herunterzufahren, weil die Schlachthöfe wahrscheinlich in der nächsten Zeit weniger Tiere als normalerweise abnehmen werden.

Ein Schlachthof von Tönnies in Sögel muss wegen mehr als über 100 infizierten Beschäftigten seinen Betrieb für mehr als drei Wochen schließen und in einem Sitz des Konkurrenten Vion im Landkreis Cloppenburg sind über 60 Mitarbeiter infiziert. Die beiden Betriebe führen 40 Prozent aller Schweineschlachtungen in Niedersachsen durch. [2]

Eingang vom Schlachthof Toennies
Der explosionsartige Anstieg an Infizierten unter den Schlachthof-Mitarbeitern zeigt deutlich, dass Profit vor das Wohlergehen von Lebewesen gestellt wird.

Doch was in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wird: Die gesamte Ferkelzucht wird kontrolliert – das heißt, die Schweinehalter planen im Voraus, wie viele Ferkel in ihren Ställen auf die Welt kommen. [3] Die Schwangerschaft eines Schweins dauert ziemlich genau drei Monate und drei Wochen. Bis ein Ferkel von etwa 1,5 Kilogramm Geburtsgewicht auf 118,5 Kilogramm Schlachtgewicht kommt, dauert es sechs Monate. [4]

Am 22. Juni 2020 wurde bekannt, dass über 1.500 Mitarbeiter beim Fleischfabrikanten Tönnies mit dem Corona-Virus infiziert sind; von Anfang an stand fest, dass die katastrophalen Arbeitsbedingungen in Fleischverarbeitungsfirmen ideal für eine massenhafte Ausbreitung des Virus sind. Hätten die Bauern direkt verantwortungsvoll reagiert und vorausschauend geplant, dürften seit Ende September weniger Ferkel auf die Welt kommen und das Problem am Ende des Jahres nicht so verheerend sein, wie momentan angenommen:

Unter normalen Umständen würden in den beiden Betrieben in den letzten drei Monaten des Jahres knapp zwei Millionen Schweine getötet werden [5] – wären also rechtzeitig Maßnahmen ergriffen worden, müsste die Zahl der überschüssigen Tiere zum Ende des Jahres geringer ausfallen. Doch die Bauern gehen von ähnlich hohen Zahlen aus.

Die Afrikanische Schweinepest verschlimmert die Situation

Die Fälle der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland haben sich auch auf den deutschen Export ausgewirkt: So hat beispielsweise China als größter Abnehmer für Schweinefleisch aus Deutschland außerhalb der EU im September ein Importverbot veranlasst. [6] Damit sind nicht nur wirtschaftliche Einbußen für die Landwirte verbunden, die ihren Profit mit toten Tieren generieren – sondern auch unzählige unschuldige Tiere leiden: Wenn sie nicht verkauft werden und dadurch für die landwirtschaftliche Tierhaltung wirtschaftlich nicht rentabel sind, werden sie getötet.

Schwein aus der Schweinemast
Nun haben gerade die Menschen Angst vor der Schweinepest, die die Schweine sowieso töten lassen: Schweinehalter. 

Corona-Pandemie und die Gier nach tierischen Produkten

Hier schließt sich dieser Teufelskreis: Denn die Ursache der Corona-Pandemie, die diesen sogenannten „Schweinestau“ verursachte und das Risiko weiterer solcher Pandemien verstärkt, ist die Gier des Menschen nach Fleisch und anderen tierischen Produkten – zu jedem Preis. Tiermärkte, Agraranlagen und Schlachthöfe sind Brutstätten für potenziell tödliche Keime.

In vielen dieser Einrichtungen werden Tiere in hoher Zahl auf engstem Raum zusammengepfercht und müssen inmitten ihrer eigenen Exkremente leben. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Entstehung und Ausbreitung von Krankheitserregern. 75 Prozent aller neu auftretenden Infektionskrankheiten wurden vom Tier auf den Menschen übertragen – und sind also Zoonosen. Bereits 2004 benannte die Weltgesundheitsorganisation WHO die steigende Nachfrage nach tierischen Produkten als eine der Hauptursachen für die Entstehung von Zoonosen. [7]

Fleisch auf Holzbrett wird angeschnitten
Zahlreiche Pandemien haben einen gemeinsamen Nenner: Die Gier des Menschen nach Fleisch und anderen tierischen Produkten. 

Kaputtes System Fleischindustrie: Die Politik muss härter durchgreifen

Die Interessenverbände der Schweinebauern fordern ein Maßnahmenpaket, unter dem in erster Linie die Tiere leiden: Sie sollen in der nächsten Zeit noch weniger Platz zur Verfügung haben als bisher. Um den Tierhaltern weitere Kosten zu ersparen, sollen die Schweine in größeren Mengen geschlachtet werden dürfen; für die Tiere bedeutet das extremen Stress.

Darüber hinaus droht den Arbeitern ebenfalls eine erhöhte Belastung durch verlängerte Arbeitszeiten und eine vermehrte Anzahl an Schlachtungen. Die Fleischindustrie ist immer wieder in diverse Skandale verwickelt: Zuletzt sind große Fleischkonzerne während der Corona-Pandemie negativ aufgefallen; vor allem die Ausbeutung von Mitarbeitern wurde öffentlich diskutiert.

Die kommerzielle landwirtschaftliche Tierhaltung muss beendet werden

Der „Überschuss“ an Schweinen, die Afrikanische Schweinepest, die Corona-Pandemie – all diese Schwierigkeiten zeigen, dass ein Umdenken notwendig ist: Die Tierwirtschaft schadet weltweit Milliarden Tieren und ist eine der Hauptursachen für die schlimmsten Umweltprobleme unserer Zeit. Darüber hinaus birgt diese Industrie ein Risiko für die eigene sowie die Gesundheit der Gesamtbevölkerung. Wir alle können diesen Herausforderungen ganz einfach wirkungsvoll entgegenwirken, indem wir uns tier- und umweltfreundlich vegan ernähren. Dazu muss sich jedoch auch das System unmittelbar und grundlegend ändern: weg von der Tierwirtschaft hin zum veganen Ökolandbau. Wir von PETA Deutschland fordern daher von der Politik, Subventionen für tierquälerische Produkte einzustellen und einen Agrarwandel voranzutreiben.

Es wird höchste Zeit, sich von der Fleischindustrie als Corona-Hotspot zu entfernen; diese Branche ist nicht systemrelevant. Zum Schutz von Tieren, Arbeitskräften und der gesamten Bevölkerung ist die Politik mehr denn je gefragt, den Wandel zu einer tierfreien Produktion und veganen Ökolandbau zu initiieren.

Was Sie tun können

  • Bitte entscheiden Sie sich beim Einkauf für pflanzliche, tierfreie Produkte – nur so können Sie dieser skrupellosen Industrie und der damit verbundenen Ausbeutung von Arbeitern und Tieren sowie den gesundheitlichen Risiken nachhaltig entgegenwirken.
  • Wir helfen Ihnen gerne beim Einstieg in eine tierleidfreie und umweltbewusstere Lebensweise. Melden Sie sich unverbindlich und kostenlos bei unserem Veganstart-Programm an.