Ganz aktuelle Informationen von Whistleblower:innen erreichten uns bei PETA Deutschland im Januar 2023 zur Situation der heimatlosen Hunde in der Türkei! Denn die Türkei hat wieder damit begonnen, heimatlose Hunde massenhaft zu töten.
So gingen schockierende Videoaufnahmen um die Welt, die zeigen, wie ca. 100 Hunde in einem Tierheim in Konya von einer Gruppe Männer zusammengetrieben und mit Schaufeln zu Tode geprügelt wurden. Augenzeug:innen berichten, dass ein Hund, der schon mehrmals auf den Kopf geschlagen wurde, noch einmal den Kopf hob, bevor er erneut mit der Schaufel zu Boden geprügelt wurde. Die andern Hunde saßen zusammengedrängt und zitterten, während sie dem Massaker zusahen. Einige Hunde konnten von Passant:innen gerettet werden.
Derartige Fälle häufen sich laut Informant:innen vor Ort in der Türkei und kommen fast täglich vor. Städte und Kommunen haben eigentlich die gesetzliche Aufgabe, heimatlose Hunde zu impfen, zu kastrieren, zu behandeln und anschließend an ihren Fundort zurückzubringen – stattdessen werden die Hunde getötet, gefoltert, ausgehungert, in dreckige und enge Unterkünfte gesperrt oder an trostlosen Orten dem Tod überlassen.
Regierung will Fall verschleiern
Nach den Aufdeckungen gab es einen großen öffentlichen Aufschrei in den sozialen Medien und zahlreiche Proteste in Konya und anderen Städten. Um den Skandal kleinzuhalten, wurde ein Sendeverbot der Aufnahmen für Medien verhängt. Tierrechtsaktivist:innen wurden festgenommen und misshandelt. Auch wurden alle Straßen, die zum Tierheim in Konya führen, mit Barrikaden und Polizei abgesperrt und Freiwilligen, Tierrechtsaktivist:innen und besorgten Bürger:innen wurde der Zutritt verwehrt.
Das Tierheim in Konya wurde von Präsident Erdoğan als eines der Pilotprojekte beworben, bei dem die Hunde in einem kleinen Gebiet eingesammelt und wieder freigelassen werden sollen.
Tierheimmitarbeiter vor Gericht
Die beiden Tierheimmitarbeiter, die den Hund getötet haben, wurden verhaftet und vor Gericht gestellt. Damit sollte vermutlich nur das öffentliche Gewissen beruhigt werden. Auch wurden nur die Täter vor Gericht gestellt – nicht die Stadtverwaltung von Konya und auch nicht die Mitarbeitenden, die zusahen und bei der Tat halfen. Zudem wurden die Täter nach dem ersten Prozess in Erwartung eines neuen Prozesses freigelassen.
Viele Nichtregierungsorganisationen und Anwaltskammern in der ganzen Türkei reichten bei der Generalstaatsanwaltschaft von Konya Strafanzeige ein und kämpfen dafür, dass die Verantwortlichen bestraft werden.
Schreckliche Zustände in städtischem Tierheim aufgedeckt
Die Behörden beschönigten den Fall und gaben bekannt, dass in dem besagten Tierheim Kontrollen durchgeführt wurden und nichts Negatives festgestellt wurde. Es seien „alle Tiere gesund“. Dabei offenbarten Untersuchungen von Anwält:innen schockierende Zustände im Tierheim in Konya:
- 4.000 Hunde im Tierheim, die überwiegende Mehrheit ist extrem abgemagert.
- Abgelaufene Medikamente liegen herum.
- Tote Mäuse im Beobachtungsbereich.
- Hunde mit Ohrmarken, was beweist, dass sie die Hunde nach der Markierung nicht wieder auf die Straße lassen.
- Kranke, alte und neugeborene Hunde, die in Zwingern zusammengepfercht sind, von denen jeder mehr als 300 Hunde, aber nur 3 oder maximal 5 Hundehütten hat.
- Grabgruben, die aber geschlossen sind.
- Übermäßiger Geruch in der Umgebung.
- Keine Sonne in den sehr engen Bereichen, in denen „verbotene Rassen“ lebenslang eingesperrt sind.
- Viele Katzen und Hunde, die geeignet sind, vermittelt zu werden.
Jetzt versuchen Freiwillige, einige der Tiere herauszuholen, um sie zu vermitteln. Bis heute wurde berichtet, dass in den meisten Fällen tödliche Viruserkrankungen festgestellt wurden und es bei mehreren Katzen und Hunden zu Todesfällen kam.
Das Leid in den türkischen Tierheimen
Es gibt 1.390 Gemeinden in der Türkei, aber nur 237 von ihnen haben Tierheime – fast alle sind ähnlich oder schlimmer als das Tierheim in Konya. Sie fungieren als Isolations- und Todeslager. Nach dem türkischen Tierschutzgesetz sollten Tierheime als „vorübergehende Rehabilitations-, Pflege- und Betreuungsheime“ fungieren. Das bedeutet, dass alle heimatlosen Tiere eingesammelt, geimpft und kastriert bzw. sterilisiert werden sollten, bevor sie von den Bezirksgemeinden dorthin zurückgebracht werden, wo sie aufgenommen wurden. Auch in den türkischen Tierheimen gibt es eine sogenannte „No-Kill-Politik“. Doch in der Realität passiert genau das Gegenteil.
Hunde und Katzen werden in Massen eingesammelt und regelrecht weggeworfen – entweder in den Bergen und Wäldern oder an den Rand von Autobahnen und Müllhalden, sodass sie fernab von menschlicher Fürsorge und Berührung sterben. Diejenigen, die in Tierheimen untergebracht werden, werden in der Regel nicht in ihr Zuhause zurückgebracht, sondern in dunklen, unhygienischen und überfüllten Zellen gehalten, wo sie gezwungen sind, mit anderen Hunden in deren Urin und Kot zu leben und nicht regelmäßig zu essen oder zu trinken bekommen. Die meisten von ihnen überleben nicht lange, weil sie verhungern, an Viruskrankheiten und Unterkühlung leiden oder von den Tierheimmitarbeitenden misshandelt oder direkt getötet werden.
Tierquälerei wird kaum bis gar nicht bestraft
Die Behörden gehen in der Regel nicht gegen Tierquälerei vor – es sei denn, es gibt einen großen öffentlichen Aufschrei in den klassischen und sozialen Medien wie im Fall Konya.
Einer der Gründe dafür ist ein aktualisierter Gesetzesartikel: In der Vergangenheit wurde Tierquälerei meist mit einer niedrigen Geldstrafe geahndet. Seit 2021 muss eine der Tierquälerei für schuldig befundene Person, die zu einer Haftstrafe von weniger als drei Jahren verurteilt wird, nicht einmal ins Gefängnis. Sie ist unter der Bedingung wieder frei, dass sie in den nächsten fünf Jahren nicht dieselbe Straftat begeht, was nicht einmal nachverfolgt oder überprüft werden kann. Dies lässt sich laut unseren Informationen kaum verfolgen noch ahnden.
Der zweite Grund sind die Hindernisse bei den Ermittlungen gegen die Gemeinde und ihre Mitarbeitenden. Trotz jahrelanger Forderungen und Lobbyarbeit können die Gemeinden immer noch nicht vor Gericht gestellt werden, obwohl sie zu den größten Tierquäler:innen gehören.
Drittens wird besorgten Bürger:innen und Nichtregierungsorganisationen das Recht, direkt Klage zu erheben, entrissen und nur dem Landwirtschaftsministerium übertragen. Wenn das Ministerium der Meinung ist, dass in den Anträgen von NGOs und Bürger:innen ein „echtes Verbrechen“ vorliegt, kann eine Klage eingereicht werden, aber wenn es kein Verbrechen sieht, werden die Täter:innen nicht vor Gericht gestellt und es kann nichts rechtlich unternommen werden, es sei denn, die Täter:innen werden „auf frischer Tat ertappt“.
Hunde sollen eingefangen werden: Erdoğan stellt sich über geltendes Recht
Insbesondere in den vergangenen zwei Jahren gab es einen deutlichen, von der türkischen Regierung unterstützten Aufruf zum Einsammeln und Einsperren von heimatlosen Hunden. 2021 erklärte Präsident Erdoğan, dass diese Tiere in die Tierheime gehören und nicht auf die Straße. [1] Dies bedeutet, dass die mündliche Anordnung des Präsidenten über den Gesetzen steht.
Obwohl es nach geltendem Recht verboten ist, Hunde lebenslang in die Einrichtungen bzw. „Tierheime“ einzusperren, ruft der türkische Staatspräsident die Gemeinden immer wieder dazu auf, sie alle in sogenannten isolierten „natürlichen Lebensräumen“ einzusammeln, die von hohen Betonmauern und Drahtzäunen in und um die Tierheime herum umgeben sind, in denen Tausende ohne angemessene medizinische Versorgung, Nahrung, Wasser und Schutz zusammengepfercht werden.
App sollte bei Hundetötungen helfen
Ermutigt durch diese Aufrufe wurde die App namens Havrita entwickelt, mit der heimatlose Hunde in der Türkei auf einer virtuellen Karte markiert und fotografiert werden können, um sie gezielt durch Vergiftung oder Erschießen zu töten. Viele Hunde wurden von Einzelpersonen und Gemeinden infolge dieses öffentlichen Aufrufs getötet. Befürworter:innen von Havrita riefen auch dazu auf, sich selbst zu bewaffnen, um sich vor Hunden zu „schützen“. Trotz zahlreicher Proteste gegen diese App wurde sie von den Behörden lange nicht verboten. Erst am 22. August 2022 wurde der Zugriff auf die App aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung nach einer Strafanzeige des Tierschutzrates der Anwaltskammer Antalya verhindert – die Verantwortlichen hinter der App werden jedoch nicht vor Gericht gestellt und angeklagt.
Ende 2022 gab Landwirtschaftsminister Vahit Kirişçi bekannt, dass Istanbul als Pilotregion ausgewählt wurde und dass den lokalen Regierungen in Waldgebieten Plätze für Tierheime zugewiesen werden. Er erwähnte auch, dass man plane, einen „Workshop“ zu organisieren, um Lösungen gegen die sogenannte „Vermehrung von Streunern“ zu diskutieren. Unter den Teilnehmer:innen dieses Workshops befand sich auch der Sprecher der Havrita-App sowie viele andere bekannte Persönlichkeiten, die seit Monaten zu Tierquälerei aufrufen.
Unterstützen Sie unsere Arbeit für die Hunde in der Türkei
Bitte senden Sie einen Appell an das türkische Konsulat in Berlin mit der Bitte, das Sammeln und grauenvolle Töten der Hunde endlich zu stoppen und tierschutzfreundliche Alternativen einzusetzen.
Per Mail an türkisches Generalkonsulat: [email protected]
Wir von PETA setzen uns auf der ganzen Welt für die Tiere ein. Mit dem PETA Global Compassion Fund vernetzen wir uns international mit lokalen Tierschutzgruppen, um Tieren in Not zu helfen – so auch in der Türkei. So stehen wir auch mit lokalen Tierschützer:innen und Tierschutzvereinen in engem Austausch und Kontakt, um uns für die Hunde vor Ort einzusetzen. Unterstützen Sie unser Netzwerk und unsere Arbeit für die Tiere!
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Quellen
[1] Erdoğan rief dazu auf, streunende Hunde einzusammeln: Ministerium schickte Rundschreiben an Gemeinden, https://www.dokuz8haber.net/erdogan-called-for-stray-dogs-to-be-collected-ministry-sent-circular-to-municipalities (eingesehen am 24.01.2023)