Ferkel reichen Verfassungsbeschwerde ein
Das hat es noch nie gegeben: ca. 22 Millionen männliche Ferkel reichen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht Karlsruhe ein. Sie klagen für ihr Recht auf Freiheit von Schmerzen und Leiden, das schon heute in der deutschen Rechtsordnung verankert ist und trotzdem immer noch missachtet wird. Die betäubungslose Ferkelkastration ist weiterhin an der Tagesordnung, obwohl ihr Ende bereits 2013 beschlossen wurde und obwohl es Alternativen gibt – seitdem wird die Übergangsfrist immer weiter verlängert. Damit muss jetzt Schluss sein. Im Namen der Tiere reicht PETA zusammen mit der Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm am 19. November 2019 Verfassungsbeschwerde ein und lässt die Ferkel dabei selbst als Beschwerdeführer auftreten. Der Rechtsbehelf geht weit über diesen Fall hinaus: Tiere müssen endlich als Rechtssubjekte anerkannt werden, damit die Tierquälerei in Deutschland ein Ende hat.
Warum brauchen Tiere Grundrechte?
Tiere sind fühlende, intelligente Lebewesen, die Angst und Schmerz spüren können und uns in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich sind. Wem wir Rechte zusprechen und wem nicht, hängt oft nur mit Vorurteilen zusammen. Aber genau so, wie wir Menschenrechte nicht am Alter oder am Geschlecht festmachen sollten, ist es unrecht, Tiere für uns zu benutzen, nur weil wir die Mittel und Werkzeuge dazu haben.
Um welche Rechte geht es?
Tiere haben ein naturgegebenes Recht auf Leben, ein Recht auf Freiheit und ein Recht auf Unversehrtheit. Es ist längst überfällig, diese absoluten Grundrechte endlich auch explizit ins Gesetz zu schreiben.
Wie sieht die aktuelle Gesetzeslage aus?
Schon seit 1990 gelten Tiere in der deutschen Rechtsordnung nicht mehr als Sachen, sondern als Mitlebewesen, die durch besondere Gesetze geschützt sind. 2002 wurde der Tierschutz sogar als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen. Im Tierschutzgesetz heißt es, dass „niemand… einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen [darf]“.
Wo ist das Problem?
In der Realität werden die geltenden Rechtsnormen im Bereich Tierschutz massiv missachtet. Tieren werden tagtäglich Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt, sie werden gequält und getötet. Das hat einen einfachen Grund: In der Regel werden Tiere nicht als Rechtssubjekte, sondern als Rechtsobjekte behandelt, mit denen der Mensch machen kann, was er will.
Wie lässt sich das ändern?
Die bestehende deutsche Rechtsordnung steht jetzt schon in einigen Punkten auf Seiten der Tiere. Damit sich die bereits bestehenden Tierrechte aber auch wirklich einklagen und umsetzen lassen, müssen die Tiere selbst als Rechtspersonen anerkannt werden – so wie natürliche oder juristische Personen.
Warum reicht PETA Verfassungsbeschwerde ein?
Tiere müssen endlich als Rechtssubjekte anerkannt werden. Deshalb lässt PETA die ca. 22 Millionen männlichen Ferkel, die in Deutschland jährlich rechtswidrig betäubungslos kastriert werden, in der am 19. November 2019 eingereichten Verfassungsbeschwerde selbst als Beschwerdeführer auftreten. Tiere haben bereits heute eigene Rechte. Wir müssen ihnen helfen, sie einzufordern.
Ist das alles realistisch?
Grundrechte für Tiere lassen sich schon jetzt aus der bestehenden deutschen Rechtsordnung ableiten. Bisher können sie jedoch nur teilweise und nur in sieben Bundesländern über den Umweg des Verbandsklagerechts eingefordert werden, das nicht alle Bereiche der Tiernutzung abdeckt. Aber weltweit wurde bereits Tieren und auch Flüssen der Status von Rechtspersonen zugesprochen, um sie – vertreten durch Menschen – gegen Umweltverschmutzung oder Bauvorhaben klagen zu lassen. 2015 wurde beispielsweise die im Rostocker Zoo 1986 geborene Orang-Utan-Dame Sandra im Rahmen einer Haftprüfungsbeschwerde von einem Bezirksgericht aus ihrer über 20-jährigen Gefangenschaft im Zoo von Buenos Aires freigesprochen. 2016 folgte der Freispruch der Schimpansen-Dame Cecilia aus ihrer über 30-jährigen Haft im Zoo von Mendoza. Auch Gerichte in den USA und Indien haben bereits Grundrechte von Tieren anerkannt. Tiere als Rechtssubjekte sind also keineswegs utopisch, sondern in Teilen der Welt bereits heute Realität und ein logischer wie notwendiger Schritt.
Was passiert als Nächstes?
Ob die Beschwerde der Ferkel Erfolg hat, wird sich im Laufe der nächsten Monate herausstellen. Schon jetzt können Sie sich selbst für die Tiere einsetzen. Unterzeichnen Sie die Petition an die Bundesjustizministerin und die Fraktionen des Deutschen Bundestages und fordern Sie Grundrechte für Tiere ein!
Die Verfassungsbeschwerde wird ideell unterstützt von Dr. Karsten Brensing (Biologe, Verhaltensforscher und Autor) sowie

Noch bevor sie acht Tage alt sind, wird männlichen Ferkeln die Haut über dem Hodensack aufgeschnitten, um die Hoden herauszudrücken. Anschließend werden die Samenstränge durchtrennt oder abgerissen. Das alles passiert ohne Betäubung. Mit der Kastration soll der sogenannte Ebergeruch verhindert werden, der beim Erhitzen von Fleisch unkastrierter Schweine entsteht. Die Bundesregierung hat die Übergangsfrist bis zur Abschaffung dieser Praxis zuletzt bis zum 31.12.2020 verlängert.
In der Agrarindustrie sind Rechtsbrüche an der Tagesordnung. So werden Kälber bei der Enthornung standardmäßig mit einem mehrere hundert Grad heißen Eisen verbrannt und Sauen in derart enge Kastenstände gesperrt, dass sie sich nicht einmal umdrehen können. Auch in anderen Bereichen werden täglich Rechtsbrüche begangen: Ratten müssen beim Forced Swim Test gegen ihren Tod anschwimmen, bei der Fuchsjagd dienen Füchse den Jägern als lebendige Zielscheiben und Elefanten werden mit spitzen Elefantenhaken zum Gehorsam gezwungen.
Es ist strafbar, ein Wirbeltier ohne „vernünftigen Grund“ zu töten. Wer einem Tier „aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden“ bzw. „länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden“ zufügt, kann sich ebenfalls schuldig machen. Leider sieht die Realität oftmals völlig anders aus: Tierquälerei wird meistens kaum verfolgt und führende Politiker unterstützen diese Vergehen noch, indem sie investigativ arbeitende Tierschützer kriminalisieren.
Zahlreiche Vertreter aus Presse und Medien berichteten über unsere Kampagne „Grundrechte für Tiere“. Auch eine Fachpublikation veröffentlichte ein Interview. Weitere Fachpublikationen folgen. Wir freuen uns, dass wir den Tieren, die täglich unter uns Menschen leiden müssen, eine laute Stimme verleihen konnten und hoffen, dass sich unsere Gesellschaft endlich wandelt. Wir alle haben die Möglichkeit, dieses Grauen nicht weiter zu unterstützen, um jedem Tier zu einem besseren Leben zu verhelfen.