Tierquälerei beim „Bauern von nebenan“: Landwirt ist uneinsichtig

Ein Landwirt aus dem Havelland vernachlässigte seine Tiere über Monate hinweg. Obwohl Zeugen ihn mehrfach auf die Missstände ansprachen, zeigte er sich uneinsichtig. PETA Deutschland hat im Juli 2020 Strafanzeige gegen den Landwirt gestellt, doch an den katastrophalen Zuständen hat sich bis heute nichts geändert.

Vernachlässigte und verletzte Tiere zum Sterben ihrem Schicksal überlassen

Immer wieder kommt es bei sogenannten Nutztieren zu Tierquälerei und extremer Vernachlässigung. Solche Missstände sind jedoch nicht nur in der Intensivtierhaltung zu beobachten, sondern häufig auch bei Landwirten mit weniger Tieren, die Freilauf haben. Der vorliegende Fall aus dem Havelland ist ein besonders trauriges Beispiel: Seit Monaten war bekannt, dass Kühe auf einem Hof unter extremer Vernachlässigung leiden, teilweise mit schweren Folgen. Doch trotz mehrerer Hinweise zeigte sich der Landwirt uneinsichtig.

Auf besagtem Hof wurden im Sommer 2019 verschiedene Tiere in katastrophalem Zustand vorgefunden. So waren verletzte und kranke Tiere zu sehen, die offensichtlich nicht medizinisch behandelt wurden. Tiere, die sich nicht mehr bewegen konnten, wurden der Witterung und ihrem Schicksal schutzlos überlassen, starben oder verschwanden plötzlich. Auch die Grundversorgung mit Nahrung und Wasser war nicht gewährleistet, sodass den Tieren ein qualvoller Tod durch Verhungern und Verdursten drohte.

Tiere verhungern und verdursten

Beweisfotos zeigen, dass mehrere Tiere stark abgemagert waren. Wirbelsäule, Hüft- und Steißbeinhöcker standen deutlich hervor und waren nur noch von Haut und Fell bedeckt. Rippen, Brustbein- und Extremitätenknochen hoben sich deutlich ab, Muskelmasse war am gesamten Körper des Tieres nur noch unzureichend vorhanden.

Eines der Tiere vegetierte nachweislich über mehrere Wochen in diesem Zustand vor sich hin. Zusätzlich konnte es das linke Hinterbein aufgrund einer Verletzung nicht belasten. Zusammen mit dem körperlichen Kräfteverfall führte das dazu, dass das Rind nicht mehr alleine aufstehen, gehen oder essen und auch die Tränke nicht mehr eigenständig aufsuchen konnte, um an Wasser zu gelangen.

Verletzte Tiere verschwinden urplötzlich

Ein ähnliches Bild zeigte sich erneut im September 2019: Mehrere Tage lang wurde eine weitere verletzte Kuh weder medizinisch behandelt, noch erhielt sie Nahrung oder Wasser. Nach ein paar Tagen war das Tier so geschwächt, dass es den Kopf nicht mehr anheben konnte. Kurz darauf verschwand die Kuh.

Im folgenden Monat wurde ein Rind beobachtet, dass über einen längeren Zeitraum apathisch herumstand: Seine Ohren hingen nach unten, die Augen waren halb geschlossen, die Nüstern hochgezogen. Das Tier befand sich bereits seit Wochen in einem schlechten Gesundheitszustand.

Kuh bei Geburt sich selbst überlassen – Kalb starb

Weitere Dokumentationen von Mai 2020 zeigen, dass eine hochschwangere Kuh trotz schwerer Lahmheit nicht medizinisch behandelt wurde. Das Tier konnte sich kaum fortbewegen, um an Wasser oder Nahrung zu gelangen – die Weide, auf der es stand, war abgefressen. Schließlich brach die Kuh zusammen, konnte sich nicht mehr aufrichten und wand sich panisch schreiend auf dem Boden. Am gleichen Tag setzte die Geburt ein, die sich über neun Stunden hinzog – ohne dass der Landwirt die Lage des Kalbs oder den Zustand der Mutter überprüfte.

Das Kalb verstarb direkt nach der Geburt und wurde von Rabenvögeln attackiert, während die Kuhmutter verzweifelt versuchte, ihr totes Kind zu verteidigen. Weil sie nicht aufstehen konnte, robbte sie dabei hilflos über den Boden. Erst nach einem Anruf von Augenzeugen ließ sich der Bauer dazu überreden, das Kalb abzutransportieren – die Mutterkuh überließ er jedoch weiterhin sich selbst. Fast zwei Wochen später lag dasselbe Tier zwei Tage lang in einer Erdkuhle, die es aufgrund seines miserablen Gesundheitszustands selbstständig nicht mehr verlassen konnte.

Kuh mit entzündetem Auge: Maden zerfressen die Wunde und befallen das ganze Gesicht

Im Sommer 2020 kam es zu einem weiteren traurigen Höhepunkt: Wie Fotos dokumentierten, litt eine Kuh an einer schweren Augenentzündung. Das Auge entzündete sich so stark, dass offenes Fleisch zu sehen war, das Fliegenmaden befallen hatten. Die Maden fraßen sich innerhalb kürzester Zeit in die Augenhöhlen, den Tränen-Nasen-Gang und die umliegende Gesichtsmuskulatur.

Die großflächige Wunde war stark verschmutzt, das Gewebe und die Muskulatur um das Auge extrem angeschwollen. Videomaterial zeigte außerdem, dass die Kuh lahmte. Wie Augenzeugen berichteten, befand sie sich zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits seit Tagen in diesem Zustand. Von der Wunde im Gesicht ging ein starker Geruch nach Eiter, Entzündungsprodukten und Verwesung aus.

Trotz gesetzlicher Verpflichtung immer wieder Tierleid beim „Bauern von nebenan“

Das Beispiel der Hofbetreiber aus dem Havelland zeigt erneut, dass viele Tiere teilweise über Monate extremes Leid und Vernachlässigung ertragen müssen – unabhängig von der Haltungsform. Für Fleisch– und Milchprodukte leiden Schweine, Kühe oder Schafe tagtäglich unter miserablen Lebens- und Haltungsbedingungen.

Obwohl sogenannte Nutztierhalter verpflichtet sind, ihre Tiere ausreichend zu versorgen und zu verpflegen, ihr Befinden täglich zu überprüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen [1], werden immer wieder schlimme Missstände aufgedeckt und in den Medien thematisiert. Diese Skandale gewähren jedoch nur einen kleinen Einblick in diese ausbeuterische Industrie: Wie es hinter den meisten Hof- und Stalltüren tatsächlich aussieht, lässt sich nur erahnen.

Wir fordern eine Verfolgung von Kriminalität gegen Tiere in der Ernährungsindustrie

Straftaten und Kriminalität gegen Tiere, die in der Ernährungsindustrie leiden, müssen ernsthaft und dauerhaft verfolgt werden. Tierhalter sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Nahrungs- und Wasserversorgung sowie die medizinische Behandlung ihrer Tiere sicherzustellen.

Wir fordern, dass Tierhaltern, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen und ihre Tiere vernachlässigen und leiden lassen, die Tiere weggenommen werden. Außerdem sollen sie aufgrund ihrer Verantwortungslosigkeit gesetzlich zur Aufgabe der Tierhaltung gezwungen werden und ein endgültiges Tierhalteverbot erhalten. Nur so lässt sich eine kriminelle Ausnutzung des Systems nachhaltig unterbinden.

„Kriminalität gegen sogenannte Nutztiere muss endlich mit der notwendigen Ernsthaftigkeit verfolgt werden. Aus tierärztlicher Sicht sind die Zustände des vorliegenden Falls erschreckend und mit extremen Schmerzen für die Tiere verbunden, leider aber kein Einzelfall im Agrarbereich.“

Sandrina König, PETA Deutschland

Dass auch für sogenannte Nutztiere die Vorschriften des Tierschutzgesetzes gelten, muss immer wieder betont werden: Wer einem Tier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt, erfüllt den Straftatbestand des Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes [2] – unabhängig davon, um welche Tierart es sich handelt. Auch Tierquälerei in der landwirtschaftlichen Tierhaltung muss strafrechtlich ernsthaft verfolgt werden.

In dem konkreten Fall aus dem Havelland wurde Strafanzeige wegen des Verdachts mehrerer Verstöße gegen das Tierschutzgesetz gestellt. Wir fordern die Wegnahme der Tiere und ein Tierhaltungsverbot.

Weitere Kritik

Oft kontrollieren die zuständigen Veterinärämter die Ställe kommerzieller Tierhalter unregelmäßig, zu spät oder überhaupt nicht. So bleiben schlechte Haltungsbedingungen und Vernachlässigung häufig unentdeckt.

Doch selbst, wenn Tierhalter die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, leiden die Tiere: Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung legalisiert dieses Leid mehr, als dass sie die Tiere schützt. Sie gibt lediglich Mindestanforderungen vor, die den natürlichen Bedürfnissen der Tieren in keiner Weise gerecht werden.

Was Sie tun können

  • Wenn Sie Tierschutzverstöße oder Tierquälerei beobachten, melden Sie diese bitte über unser Whistleblower-Formular.
  • Bitte setzen Sie sich aktiv gegen die Ausbeutung von Tieren in der Ernährungsindustrie ein und zeigen Sie Mitgefühl für Tiere, die in der kommerziellen Tierhaltung missbraucht werden.
  • Mit einer tierleidfreien Lebensweise helfen Sie den Tieren am meisten: Bitte entscheiden Sie sich daher für ein veganes Leben. Die Nachfrage bestimmt das Angebot: Viele Unternehmen orientieren sich am Konsumverhalten der Verbraucher und kommen dem steigenden Bedarf an pflanzlichen Lebensmitteln nach.