Wiederholt Tierquälerei in Schlachthöfen in Baden-Württemberg

Immer wieder sorgen verschiedene Schlachthöfe für einen medialen Aufschrei. Meist ist Bildmaterial von Augenzeugenberichten oder Undercover-Recherchen Auslöser der öffentlichen Diskussionen. Vor allem Videos, in denen Tieren offensichtlich unter unzureichender Betäubung die Kehle aufgeschlitzt wird oder sie anderweitig für die Industrie ausgebeutet und gequält werden, sorgen für besonders große Entrüstung. Baden-Württemberg ist eines der Bundesländer, die regelmäßig in der Kritik stehen.

2020: Extreme Tierquälerei in baden-württembergischen Schlachthöfen dokumentiert

Zwischen dem 5. Oktober und 16. November 2020 wurden erneut heimlich Videoaufnahmen in einem baden-württembergischen Schlachthof gemacht: In Biberach sollen mehr als 1.500 Tiere extrem qualvoll getötet worden sein. Die im ARD-Magazin FAKT gezeigten Aufnahmen belegen gravierende Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. 75 Rinder und 1.500 Schweine sollen aufgrund fehlerhafter Betäubungen einen grausamen Tod gestorben sein. Die Aufnahmen zeigen den Einsatz nicht sicher funktionierender Bolzenschussgeräte sowie dadurch bei der Tötung nicht ausreichend betäubte Tiere. Der Schlachthof wurde zunächst vorübergehend geschlossen. Der Tierschützer Friedrich Mülln hat inzwischen Anzeige gegen den Schlachthof erstattet und das Videomaterial an die Staatsanwaltschaft übergeben. [1]

Erst im September 2020 wurde der Gärtringer Schlachthof im Kreis Böblingen wegen Tierquälerei vorübergehend geschlossen: Dort sollen die Tiere mit Stangen geschlagen und mit Elektroschockern malträtiert worden sein. [2]

Tierquälerei in Schlachtbetrieben in Baden-Württemberg: Mängel sind seit Jahren bekannt und Konsumententäuschung

Die beiden Betriebe sind jedoch keine Einzelfälle, sondern stehen stellvertretend für viele Schlachthöfe: Bereits 2018 wurden bei zwei Dritteln aller Schlachthöfe in Baden-Württemberg Missstände festgestellt: Amtstierärzte führten bei 40 der größten Betriebe Kontrollen durch; ein Großteil der Schlachthöfe wies Mängel bei der Betäubung und Tötung von Schweinen und Rindern auf. In einem der Schlachtbetriebe waren beispielsweise 13 Prozent der Rinder nicht ausreichend betäubt worden. [3] Die Mängelliste wurde im Herbst 2020 veröffentlicht. Doch nur wenige Wochen später wurden die im Biberacher Betrieb gemachten Aufnahmen veröffentlicht.

Dass viele baden-württembergische Schlachtbetriebe Probleme mit Verstößen gegen Tierschutzrichtlinien haben, ist seit über zehn Jahren bekannt: So wurden bereits 2009 massive Missstände offengelegt: Damals wurden ebenfalls Undercover-Aufnahmen von fehlerhaft betäubten und qualvoll sterbenden Tieren veröffentlicht. [4]

Die erschütternden Bilder zeigen einen Bio-Schlachthof in Baden-Württemberg, der als Vorzeige-Betrieb galt. Ein Tierarzt fasste damals zusammen: „Die Tiere durchleiden Höllenqualen.“ Außerdem widerlegte er die Ausreden, dass es nur ‚vegetative Reflexe‘ seien, von denen die Tiere nichts mitbekommen würden. [4]

Darüber hinaus mussten viele Tiere miterleben, wie andere Tiere vor ihren Augen getötet wurden: Kühe und Schweine mussten nicht nur die Tötung ihrer eigenen Artgenossen hören, riechen und mit ansehen, sondern auch die anderer Tierarten. Leiden pur. Diese Folter zog sich teilweise über mehrere Stunden.

2012 wurde der Schlachthofbetreiber schließlich wegen dieser Verstöße gegen die geltenden Gesetze rechtskräftig verurteilt. Das Verfahren gegen den anwesenden Amtstierarzt wurde eingestellt – wegen geringer Schuld und weil er noch nicht vorbestraft war.

Landespolitik unter Druck: Maßnahmen für mehr Tierwohl geplant

Der baden-württembergische Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, stellte als Reaktion auf die öffentliche Diskussion im November 2020 einen Maßnahmenplan für sogenannte Nutztiere vor. Das Ziel sei es, dass „Nutztiere“ tierschutzgerecht gehalten und geschlachtet werden. Um das Überwachungspersonal zu unterstützen, ist eine personelle Verstärkung geplant – das Vorhaben soll mit einem Förderprogramm in Höhe von bis zu zehn Millionen Euro finanziert werden.

Eine verpflichtende Videoüberwachung in Schlachtbetrieben soll es – aus Datenschutzgründen – nicht geben. Stattdessen werde eine entsprechende Selbstverpflichtung gefordert. [5] Solche Maßnahmen sind unzureichend; statt den Tieren zu helfen, wird mit einer solchen Regelung nur das Gewissen der Konsumenten beruhigt.

Fehlerhafte Betäubungen sind Tierquälerei und strafbar

Der Maßnahmenplan ist – zumindest in Teilen – ein guter Ansatz, das Leid der Tiere in der Fleischindustrie zu verringern: Mit mehr Personal können prinzipiell mehr Missstände aufgedeckt und entsprechend behoben werden. Wichtig ist dann jedoch, dass die entsprechenden Behörden konsequenten Einsatz zeigen und Verstöße hartnäckig verfolgen – doch genau hier liegt meist das Problem: Trotz strenger Vorschriften versagen regelmäßig Kontrollen.

Schlachthofbetreiber halten sich in vielen Fällen nicht einmal an die minimalen Anforderungen der Tierschutz-Schlachtverordnung, womit sie sich strafbar machen. Solche Gesetzesverstöße sollten entsprechend streng geahndet werden. Eine fehlende konsequente Verfolgung solcher Verstöße führt dazu, dass die ohnehin schwachen gesetzlichen Reglungen weiterhin ignoriert werden – zum Leidwesen unzähliger Tiere.

Bio-Haltung oder konventionelle Tierhaltung: Hinter den Schlachthaustüren sind alle Tiere gleich

Die meisten Konsumenten sind der Meinung, dass Bio-Produkte mit weniger Tierleid verbunden sind. Doch beinahe alle Regelungen der Bio-Verbände und der Öko-Verordnungen enden vor den Toren des Schlachthofes: Die letzten Stunden ihres Lebens sind für Tiere fast ausnahmslos mit Stress, Angst und Schmerz verbunden. Im Schlachthof wird kein Unterschied gemacht; Bio-Kühe und Bio-Schweine durchlaufen dieselbe Prozedur wie die konventionell gequälten Schweine und Kühe. So war beispielsweise der Schlachtbetrieb, der 2009 negativ auffiel, ebenfalls Bioland-zertifiziert.

Jeder Fleischkonsument muss wissen, dass für jedes Stück Fleisch ein Tier mit seinem Leben gezahlt hat und der Großteil dieser Tiere im Schlachthof kaum vorstellbaren Qualen ausgesetzt war. Vielen Konsumenten ist außerdem nicht bewusst, dass auch für die Milch– und Eierindustrie Millionen Tiere in Schlachthöfen sterben.

Was Sie tun können

  • Sollten Sie Missstände und Tierquälerei beobachten, können Sie diese über unser Whistleblower-Formular melden.
  • Bitte entscheiden Sie sich für eine vegane Lebensweise, wenn Sie den Tieren, die in der Fleisch-, Milch– und Eierindustrie ausgebeutet werden, nachhaltig helfen wollen. Unser 30-tägiges Veganstart-Programm kann Ihnen bei der Umstellung auf eine tierleidfreie Ernährung helfen – kostenlos und unverbindlich.