Tauben in Bahnhofshallen oder Fußgängerzonen werden in der Öffentlichkeit häufig als „Problem“ wahrgenommen. Doch es sind die Tauben selbst, die großes Leid erfahren – und schuld daran ist einzig und allein der Mensch. Die Tauben, die wir in unseren Städten sehen, sind nämlich keine Wildtiere, sondern domestizierte Tiere. Es handelt sich um sogenannte Haustiere, die vom Menschen gezüchtet und anschließend ausgesetzt wurden, sowie deren Nachkommen. Daher sind Tauben auf die Versorgung durch den Mensch angewiesen – ähnlich wie sogenannte Straßenhunde und -katzen in anderen Ländern.
Tauben in Städten leiden vor allem wegen vier Aspekten
1. Brutzwang
Tauben werden seit Jahrtausenden gezüchtet. Der Mensch hat sie lange Zeit wegen ihres Fleisches und ihrer Eier ausgenutzt – und als sogenannte Brieftauben aufgrund ihrer Treue zum Partner und zum heimatlichen Schlag. Zudem wurde den Tieren ein permanenter Brutzwang angezüchtet. Daher brüten Stadttauben im Gegensatz zu Wildtauben mehrfach im Jahr, ganz gleich ob genügend Futter oder ein geeigneter Lebensraum zur Verfügung steht. Dieser angezüchtete Brutzwang verstärkt das Elend der Tiere.
2. Hunger
Die natürliche Nahrung von Tauben besteht primär aus Körnern und Samen, die in den Städten rar sind. Somit haben die Tauben keine Möglichkeit, in Städten an artgerechtes Futter zu gelangen, und sind darauf angewiesen, sämtliche Essensreste der Menschen zu fressen: von Brotkrümeln bis hin zu verschimmelter Pizza. Das schwächt ihr Immunsystem immens, lässt sie schneller erkranken und führt oft zu einem flüssigen „Hungerkot“. Da sie ihre Küken versorgen müssen, betteln sie um jeden Krümel. Es ist die schiere Verzweiflung, um das Verhungern abzuwenden.

3. Platz
Stadttauben stammen von verwilderten Haus- und Brieftauben ab, die einst aus der am Mittelmeer heimischen Felsentaube gezüchtet wurden. Im Gegensatz zu unseren heimischen Wildtauben, wie die Ringel- und Turteltauben, die in Bäumen brüten, leben und brüten Felsentauben in Felswänden. Als Abkömmlinge der Felsentaube brauchen Stadttauben also kleine, flache Flächen, auf denen sie ihre Nester bauen können. Diese finden sie in Häuserfassaden und anderen städtischen Strukturen, doch nahezu überall werden sie durch Abwehrnetze und Metallspitzen vergrämt. In der Folge sind die Tiere gezwungen, immer dichter zusammenzurücken. Das ist nicht nur für sie selbst unangenehm, sondern erweckt bei vielen Menschen den Eindruck, es gäbe eine übermäßige Zahl an Stadttauben.

4. Verletzungsgefahren
Jeder kennt die spitzen Metallstäbe, sogenannte Spikes, die zur Taubenvergrämung in Bahnhöfen und an Gebäuden eingesetzt werden. Aufgrund ihres Instinkts, nur an bestimmten Stellen brüten zu können, verletzten sich die Stadttauben oftmals schwer an den Metallstäben, insbesondere ungeübte Jungtiere. Auch Fäden, Schnüre, Haare und Gummibänder auf den Straßen stellen eine Gefahr für die Tauben dar. Da die Tiere auf der ständigen Suche nach Futter viel auf dem Boden umherlaufen, wickeln diese sich um die Füße der Vögel, was zu Verletzungen und äußerst schmerzhaften Abschnürungen führen kann – nicht selten stirbt dadurch der ganze Fuß ab. Doppelte Verschnürungen können eine Taube laufunfähig machen. Da sie nur durch Laufen an Nahrung gelangen kann, bedeutet dies für sie einen qualvollen Hungertod.

Die nachhaltige Lösung: betreute Taubenschläge
Da Tauben das ihnen vom Menschen angezüchtete Verhalten nicht ändern können, stehen wir in der Verantwortung, den Tauben zu helfen, ihnen alternative Lebensräume zu bieten und ihre Versorgung sicherzustellen. Die einzige nachhaltige Lösung sind Taubenschläge, die dort errichtet werden, wo sich Tauben aufhalten: in den Innenstädten. Den Tauben stehen darin artgerechtes Futter und Wasser sowie geeignete Brutplätze zur Verfügung. Durch den Austausch der Taubeneier mit Gipseiern erfolgt eine tierschutzgerechte und nachhaltige Kontrolle der Population. Einige Städte haben bereits begonnen, die Taubenpopulationen auf diese Weise erfolgreich zu kontrollieren – doch leider engagieren sich noch immer zu wenige Städte.

Taubenzüchter verschärfen das Problem
Jedes Jahr stranden Tausende neue Tauben in den Städten. Es sind desorientierte Tiere, die für Wettflüge oder Hochzeiten aufgelassen wurden. Sie schließen sich der Stadttaubenpopulation an und vergrößern das Leid. Ein zukunftsfähiges und nachhaltiges Management von Tauben in Städten sollte neben betreuten Schlägen zwingend auch ein Verbot von Taubenauflässen für Wettflüge oder Hochzeiten beinhalten. Nur so können wir Stadttauben ein gutes Leben ermöglichen – und das ist unsere Verantwortung, denn ihre Probleme sind menschengemacht.

Was Sie tun können
- Bitte klären Sie Ihr Umfeld über das Leid der Stadttauben auf.
- Sprechen Sie sich gegen Wettflüge sogenannter Brieftauben aus, indem Sie z. B. Leserbriefe zu entsprechenden Artikeln schreiben.
- Setzen Sie sich für Stadttaubenprojekte in Ihrer Stadt ein oder helfen Sie bei bestehenden Stadttaubenprojekten mit.