Die Milchindustrie und ihre Lobbyarbeit: Täuschung mit System

In Deutschland werden jedes Jahr pro Kopf rund 118 Kilogramm Milch und Milchprodukte, wie Käse und Joghurt, konsumiert – das entspricht insgesamt 4,2 Millionen Tonnen Milch jährlich. [1]

Obwohl die Milchindustrie immer mehr in der Kritik steht, versucht sie, mit ausgeklügelten Marketingstrategien ein irreführendes Image zu festigen. So suggerieren täuschende Milchwerbung, angebliche Qualitätssiegel oder die „Initiative Milch“ den Verbraucher:innen eine heile Welt, in der glückliche Kühe mit ihren Kälbchen auf grünen Wiesen weiden.

In diesem Artikel erfahren Sie, welche Konzerne am Tierleid in der Milchindustrie beteiligt sind, wie diese Unternehmen mit der Politik verknüpft sind und was Sie persönlich für Kühe und ihre Kälber tun können.

Inhaltsverzeichnis

Die fünf größten Molkereien in der deutschen Milchindustrie

Die folgenden fünf Molkereien sind die größten Konzerne der deutschen Milchindustrie:

  • Die DMK Deutsches Milchkontor GmbH (DMK) bezieht rund 6,3 Milliarden Kilogramm Milch im Jahr von über 5.000 Landwirtschaftsbetrieben und erwirtschaftet mit ihren 7.500 Mitarbeitenden einen Umsatz von etwa 5,5 Milliarden Euro. [2]
  • Die Unternehmensgruppe Theo Müller gehört zu den größten Molkereiunternehmen auf dem deutschen Markt und belegte 2022 mit geschätzten 5,7 Milliarden Euro Milchumsatz Platz 17 der größten Molkereiunternehmen weltweit. [3]
  • Die Hochland-Gruppe ist einer der größten Käseproduzenten Deutschlands und Europas. Gemessen an den Umsätzen ist die Hochland-Gruppe die drittgrößte Molkerei in Deutschland. [4]
  • Mit einer Milchverarbeitungsmenge von 2,2 Milliarden Kilogramm und einem Jahresumsatz von knapp 1,6 Milliarden Euro (2020) gilt die Hochwald Foods GmbH als viertgrößte Molkerei in Deutschland. [4]
  • Der Konzern Arla Foods, zu dem die Arla Foods Deutschland GmbH gehört, verfügt über rund 60 Produktionsstandorte und vertreibt seine Produkte in 152 Ländern. Im Jahr 2021 war Arla Weltmarktführer im Bereich der Bio-Milchprodukte. Der Umsatz der Gesamtgruppe lag 2021 bei 11,2 Milliarden Euro. [5]

Eines haben alle diese Unternehmen gemeinsam: Sie beuten aus Profitgründen Kühe und Kälber aus und vertreiben Produkte aus Muttermilch, die von der Natur zur Ernährung der Kuhkinder vorgesehen ist.

Mehrere schwarz-weisse Kuehe stehen in einer Reihe in engen Gassen in einer Molkerei.
Die Milchindustrie ist einer der umsatzstärksten Sektoren der industriellen Landwirtschaft.

Wie schlimm ist die Milchindustrie?

Für Kuhmilch und daraus hergestellte Milchprodukte werden Kühe und Kälber ausgebeutet. Die landwirtschaftliche Tierhaltung ist auf Wirtschaftlichkeit ausgelegt – das einzelne Individuum spielt hier keine Rolle. Bei tierischer Milch handelt es sich immer um Muttermilch, die Tiere nur dann produzieren, wenn sie Nachwuchs bekommen.

Das Leben einer sogenannten Milchkuh ist ein grausamer Kreislauf aus meist künstlicher Zwangsbefruchtung, Geburt, Wegnahme des Kalbs und Melken. Nach der Geburt werden die Mütter schnellstmöglich erneut befruchtet, und der Kreislauf beginnt von vorne. Weibliche Kälber erwartet das gleiche traurige Schicksal als „Milchmaschine“, ihre Brüder werden entweder einige Monate zur Herstellung von Kalbfleisch gemästet oder im Alter von wenigen Wochen auf grausamen Langstreckentransporten ins EU-Ausland transportiert. In beiden Fällen werden die Bullen zeitnah im Schlachthaus getötet. Auch die weiblichen Tiere erwartet der Tod, sobald sie für die Betriebe nicht mehr genug „Leistung“ erbringen.

Grafik. Leben einer Kuh in der Milchindustrie
Grafik. Leben einer Kuh in der Milchindustrie
Grafik. Leben einer Kuh in der Milchindustrie
Grafik. Leben einer Kuh in der Milchindustrie
Grafik. Leben einer Kuh in der Milchindustrie
Grafik. Konsumiere pflanzliche Produkte und unterstuetzte kein Tierleid.

Bei heutigen „Milchkühen“ handelt es sich um sogenannte Qualzuchten, denen eine deutlich gesteigerte Milchproduktion angezüchtet wurde. Während Kühe zur Ernährung ihrer Kälber früher nur etwa 10 Liter Milch am Tag produzierten, sind es in der deutschen Milchindustrie heute teilweise über 50 Liter am Tag. Und der „Leistungsdruck“ der Tiere steigt immer weiter, denn viele Milchbetriebe werden kontinuierlich vergrößert, sodass immer weniger Kühe die gleiche oder sogar eine größere Menge an Milch produzieren müssen. [6] Unter der angezüchteten Hochleistung leidet besonders das empfindliche Euter einer Kuh, was bei zahlreichen Kühen zu einer schmerzhaften Euterentzündung namens Mastitis führt.

In der Milchindustrie leiden jedoch nicht nur Kühe: Auch andere Tiermütter wie Schafe, Ziegen, Büffel oder Kamele werden ausgebeutet und getötet.

Infografik Qualzucht Kuehe

Lobbyarbeit: Verflechtungen zwischen Molkereien und Politik schützen das System

Wieso schützt das Tierschutzgesetz die Tiere nicht vor diesen grausamen Bedingungen? Haben die Verbindungen zwischen Molkereien, Interessenverbänden und der Politik etwas damit zu tun?

Molkerei-Großkonzerne sind vor allem über Interessenverbände mit der Politik verbunden: Der Deutsche Raiffeisenverband e.V. (DRV) ist die größte Interessenvertretung der genossenschaftlich organisierten Betriebe der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft, der Deutsche Bauernverband e.V. (DBV) die größte Vertretung aller landwirtschaftlichen Berufe. 2020 zählte der DRV 168 Milchgenossenschaften zu seinen Mitgliedern. [7] Im Bauernverband sind nach Eigenangaben etwa 90 % der 275.000 landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland Mitglied. [8]

Im „Fachausschuss Milchwirtschaft“ des DRV finden sich unter anderem Detlef Latka, Geschäftsführer der Hochwald Foods GmbH, Ingo Müller und Dr. Klaus A. Hein, Geschäftsführer der DMK Deutsches Milchkontor GmbH, sowie Manfred Graff, Mitglied des Aufsichtsrats von Arla Foods. [9] Präsident des Raiffeisenverbandes ist Franz-Josef Holzenkamp, Bundestagsabgeordneter für die CDU/CSU-Fraktion von 2005 bis 2017 und zeitweise ihr agrarpolitischer Sprecher. Mitte des Jahres 2017 wechselte er, politisch bestens vernetzt, vom Bundestag in das Präsidium des Raiffeisenverbandes, was ihm einige Kritik einbrachte, da seine Rolle immer wieder zwischen Lobbyvertreter und Politiker wechselte. [10]

Der Deutsche Bauernverband (DBV) ist einer der mächtigsten Lobbyverbände Deutschlands. Die Transparenz-Initiative LobbyControl e.V. schreibt über den DBV: „Über seine Repräsentanz in den maßgeblichen Bundestagsausschüssen und seinen Einfluss in den Parteien, insbesondere der CDU, steuert der DBV die Ausgestaltung der Agrar-, Ernährungs- und Umweltpolitik in Deutschland.“ [11]

  • Präsident des Bauernverbandes ist der Multifunktionär und ehemalige CDU-Kommunalpolitiker Joachim Rukwied.
  • Neben Rukwied ist Johannes Röring lange Jahre als Präsidiumsmitglied des Bauernverbandes und Bundestagsabgeordneter der CDU aktiv gewesen.
  • Die CDU-Abgeordnete Silvia Breher, die unter anderem im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft tätig ist, war laut dem Rechercheportal CORRECTIV zuvor im Deutschen Bauernverband als Juristin tätig. [12]
  • Für die Milchindustrie ist im Bauernverband Karsten Schmal verantwortlich. Schmal selbst ist Landwirt mit Milchviehbetrieb. Er belieferte bis 2018 das Deutsche Milchkontor, später dann Hochwald Foods. [13, 14] Seit September 2016 ist Karsten Schmal Vorsitzender des „Fachausschusses Milch“ und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes.

Vor dem Hintergrund dieser Verflechtungen verwundert es kaum, dass vor allem die CDU/CSU im Bundestag immer wieder Gesetzesinitiativen für mehr Tierschutz zurückweist und dass selbst grausamste Tierquälerei in industriellem Maßstab legal bleibt.

Grafik. Verflechtung von Personen aus der Politik und Unternehmen im Bereich der Milchwirtschaft.

QM-Milch: Milchindustrie vergibt sich selbst angebliches „Qualitäts- und Tierwohlsiegel“

Die Unternehmen werben mit dem sogenannten „Qualitäts- und Tierwohlsiegel QM-Milch“, welches das irreführende Bild der glücklichen Kuh in der Öffentlichkeit untermauern soll. Ziel ist es, das Gewissen der Verbraucher:innen zu beruhigen, damit diese weiterhin Milch und Milchprodukte kaufen.

„100% unserer Landwirte nehmen verpflichtend an externen Audits nach dem akkreditierten QM-Milch Standard teil.“, berichtet das Deutsche Milchkontor auf seiner Website. [15] Nach Aussage der Unternehmensgruppe Theo Müller ist der Großteil ihrer verwendeten Rohmilch in Kontinentaleuropa QM-Milch-zertifiziert [16]. Und auch Hochwald gibt an, dass 100 % ihrer genossenschaftlich erzeugten Milch QM-Milch-zertifiziert sei. [17]

Auf der Website des QM-Milch e.V. ist zu lesen: „Der QM-Milch e.V. gibt mit dem QM-Standard seit 2011 strenge, nachprüfbare Qualitätsstandards für die Milcherzeugung vor […].“ Zudem werden „im Rahmen der Zusatzmodule QM+ und QM++ zusätzliche Schwerpunkte auf Tierwohlaspekte gelegt“. [18] Das „QM+“-Siegel wird an Milchproduzierende vergeben, die in ihren Betrieben die der „Haltungsform 2“ entsprechenden Vorgaben der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH vorweisen können.

Von wegen Tierwohl: QM-Siegel machen Tierleid legal

Bei der sogenannten „StallhaltungPlus“ ist entweder ein Laufstall mit Liegeboxen und einem Tier-Liegeplatzverhältnis von 1:1 vorgeschrieben oder ein Laufstall ohne Liegeboxen. Bei letzterem beträgt die Mindestfläche der Liege- und Lauffläche für ein über 350 kg schweres Tier gerade mal 4 m2. [19]

Auch das Enthornen der Kälber ist bis zur sechsten Lebenswoche erlaubt. Hierbei werden die Jungtiere fixiert, und ein mehrere hundert Grad heißer Brennstab wird auf die Hornansätze gedrückt. Die starke Hitze führt zu großen Schmerzen, auch lange nach dem Eingriff. In der „Haltungsform 2“ ist keine Betäubung vorgeschrieben – für die grausame Prozedur genügt eine sogenannte Schmerzlinderung.

Zudem ist die sogenannte Kombihaltung erlaubt, die Anbinde- und Freilaufhaltung kombiniert. [19] Bei der Anbindehaltung werden die Tiere angebunden im Stall gehalten und am Hals fixiert, sodass sie sich nicht einmal umdrehen können. Dies kann nicht nur psychische Schäden hervorrufen, sondern auch körperliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen. dazu gehören etwa schmerzhafte Liegeschwielen, entzündete Gelenke, Lahmheit sowie Einschnürungen und Quetschungen am Hals durch die Anbindevorrichtungen. Ein Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Münster hat die ganzjährige Anbindehaltung bei Rindern bereits als tierschutzwidrig gewertet. [20]

Obwohl die Mindestanforderungen solcher Siegel weiterhin Tierausbeutung und Tierleid fördern, können sich Betriebe mit dem Haltungsform-Label und der „QM+“-Zertifizierung schmücken, die Verbraucher:innen angebliches „Tierwohl“ vorgaukeln.

Für die Tiere ist es fatal, dass Milch mit sogenannten Tierwohllabels verkauft wird. Denn diese Labels verhindern die systematische Ausbeutung von Kühen und Kälbern in keiner Weise, sondern sollen lediglich das Gewissen der konsumierenden Menschen beruhigen.

Haltungsform sogenannter Milchkuehe

Wer kontrolliert QM-Milch?

Wer einen Blick in den Vorstand des QM-Milch e.V. wirft, findet dort Vertreter:innen des Deutschen Bauernverband e.V., des Deutschen Raiffeisenverband e.V., des Milchindustrie-Verband e.V. und des Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. Im Fachbeirat finden sich neben Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels und Vertretern regionaler Bauernverbände auch diverse Milcherzeuger wie das Deutsche Milchkontor. [21] Somit kontrolliert die Milchindustrie ihre eigenen Betriebe und Produkte selbst und vergibt schlussendlich auch selbst das „Qualitäts- und Tierwohlsiegel QM-Milch“.

So helfen Sie den Tieren

Milch und Milchprodukte stehen grundsätzlich für Tierleid – ganz gleich, von welchem Unternehmen und egal mit welchem Label. Zum Glück braucht der Mensch keine Milch oder Milchprodukte. Eine ausgewogene vegane Ernährung ist für alle Phasen des Lebens geeignet, deckt den Bedarf an sämtlichen Nährstoffen, ist gesund und kann sogar das Risiko für chronische Erkrankungen senken. [27]

Bitte konsumieren Sie diese Erzeugnisse daher nicht, denn jeder Einkauf fördert das Leid von Millionen Kühen und Kälbern in Deutschland und weltweit. Greifen Sie stattdessen zur Vielzahl an pflanzlichen Alternativen und genießen Sie die Fülle an leckeren und gesunden veganen Gerichten.

Mit unserem kostenlosen 30-tägigen Veganstart-Programm begleiten wir Sie beim mühelosen Einstieg in die vegane Ernährung.