Die Nutria – 7 faszinierende Fakten über Nutrias

Seit einigen Jahren begegnen wir ihnen in Wassernähe in immer mehr Regionen Deutschlands – und viele Menschen sind beim Anblick der Tiere zunächst verwundert: Aufgrund ihres ungewöhnlichen Erscheinungsbildes werden Nutrias anfangs oft für riesige Ratten oder Biber gehalten, weshalb sie auch unter dem Namen Biberratte bekannt sind.

1. Nutrias kommen ursprünglich aus Südamerika

Ursprünglich lebten Nutrias in den gemäßigten Klimazonen Südamerikas. In vielen Regionen sind die Populationen jedoch stark zurückgegangen: In ihrer ursprünglichen Heimat wurden die Tiere nämlich wegen ihres Fleisches gejagt. Als die Bejagung kommerziell wurde, gingen ab etwa 1830 die Nutriabestände in der Natur zurück. Das Fell der Tiere wurde nach Europa exportiert; 1827 sollen es 300.000 Nutriafelle gewesen sein. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren Nutrias in Südamerika fast ausgerottet. Daraufhin wurden die Tiere ab 1920 unter Schutz gestellt, als ein Jagdverbot erlassen wurde.

In der Zwischenzeit entstanden in ihrer Heimat erste Nutriafarmen, in einigen europäischen Ländern wurde 1922 mit der Nutriazucht begonnen, in Deutschland 1926. [1] Hierzulande wurden Nutrias wegen ihres Fells, aber auch – wie in ihrer Heimat – wegen ihres Fleisches gezüchtet. [1, 2] Später wurden Nutrias in Deutschland teilweise geplant von Züchtern ausgesetzt, weil die Nachfrage nach ihrem Pelz und Fleisch sank. Immer wieder sind auch Tiere aus den Pelzfarmen ausgebrochen. [2] In einigen Regionen wie dem Münsterland wurden Nutrias zur Gewässerpflege angesiedelt oder andernorts zur Bejagung ausgesetzt.

Ein Nutria isst eine Pflanze.
Nutrias lebten ursprünglich in Südamerika. In Deutschland wurden sie für Fleisch und Fell gezüchtet.

In Deutschland sollen durch Ausbrüche und Aussetzungen die Bestände freilebender Nutrias bis 1960 auf 5.000 Tiere angestiegen sein. Auch wenn viele der sogenannten Neozoen die einsetzende Bejagung überlebten, starben doch zahlreiche der Tiere in kalten Wintern. Heute leben Nutrias in fast allen Bundesländern. Besonders viele Tiere haben sich am Niederrhein, in Brandenburg im Spreewald, in Hessen, entlang der holländischen Grenze in Nordrhein-Westfalen und im nördlich angrenzenden Gebiet Niedersachsens angesiedelt. [1]

2. Nutrias haben ein außergewöhnliches Erscheinungsbild

Nutrias werden zwar oft für Biber gehalten, doch im Gegensatz zu Bibern haben sie weiße Barthaare und hervortretende, sichtbare Ohren. Ihre stumpfe Kopfform ähnelt eher der eines Meerschweinchens als dem einer Ratte bzw. Maus. [3] Wenn Nutrias schwimmen, ragt ihr Rücken aus dem Wasser – anders als bei Bibern, die bis auf den Kopf komplett untertauchen. [4] Erwachsene Nutrias können bis zu 60 Zentimeter – plus Schwanz – lang und 10 Kilogramm schwer werden.

Besonders leicht sind Nutrias von Bibern durch ihr charakteristisches Gebiss zu unterscheiden: Sie haben zwei sehr robuste Schneidezähne, die mit einem orangefarbenen Zahnschmelz überzogen sind. [2] Die auffällige Farbe entsteht im Erwachsenenalter durch Eisenablagerungen, die den Zahnschmelz härter machen. Die Farbe ermöglicht Rückschlüsse über das Alter, die Geschlechtsreife und den Gesundheitszustand der Tiere: Bei Neugeborenen sind die Zähne noch hellgelb, während des Heranwachsens werden sie dunkelgelb, beim Erreichen der Geschlechtsreife verfärben die Schneidezähne sich in ein leuchtendes Orange bis hin zu einem hellen Rot. Bei älteren und kranken Tieren werden die Zähne wieder gelb.

Zwischen den Zehen ihrer Hinterfüße haben Nutrias Schwimmhäute, ein Zeh ist jedoch freiliegend. Die Schwimmhäute machen sie zu ausgezeichneten Schwimmern. Die vorderen Pfoten bestehen aus fünf Zehen mit Krallen, mit denen sie geschickt Nahrung sammeln, Fellpflege betreiben oder Schilfnester bauen. [5]

Nutria am Wasser
Nutrias werden teilweise mit Bibern verwechselt. Sie sind schon recht groß, aber nicht so groß wie Biber.

3. Nutrias leben immer in Wassernähe

Nutrias leben ausschließlich in Wassernähe, jedoch leben sie nicht im Wasser selbst, sondern in selbstgegrabenen Erdhöhlen im Uferbereich oder in Schilfnestern; Nutrias sind also semiaquatisch. [3, 6]

Tagsüber verbringen sie viel Zeit in ihren Bauten bzw. Höhlen, die sie in der Uferböschung anlegen. Die Tunnel sind ziemlich kurz und haben keine Seitengänge, der Eingang liegt immer über und nicht unter Wasser. Manchmal bauen Nutrias an Ufern Nester aus Schilf. [7] Die Tiere sind äußerst standorttreu und verteidigen ihr Territorium gegen fremde Nutria-Kolonien. Um die Grenzen deutlich zu machen, markieren sie ihr Revier mit Urin und einem Sekret aus ihren Analdrüsen. An die Qualität des Wassers haben Nutrias keine hohen Ansprüche. [1]

4. Nutrias ernähren sich hauptsächlich vegetarisch

Am liebsten ernähren sich Nutrias vegetarisch: Blätter, Stängel und Wurzeln von Wasserpflanzen machen den Großteil ihrer Nahrung aus. Gelegentlich verspeisen Nutrias auch Schnecken, Würmer und Süßwassermuscheln. [6]Sie sind in der Dämmerung, aber auch tagsüber aktiv, um sich ihre Nahrung zu beschaffen. [3]

nutria isst eine karotte
Nutrias essen vor allem Pflanzen: hauptsächlich Blätter, Stängel und Wurzeln von Wasserpflanzen.

5. Nutrias sind soziale und treue Tiere

Meist leben Nutrias monogam, entweder paarweise oder in Familienverbänden von 12 bis 15 Tieren. [6]Viele Töchter bleiben bei ihren Müttern, sodass die Gruppen hauptsächlich aus verwandten weiblichen Nutrias und einem erwachsenen männlichen Tier bestehen. Junge männliche Nutrias leben oft allein.

Nach sechs Monaten sind Nutrias geschlechtsreif. Meist paaren sie sich im Winter, damit der Nachwuchs im April und Mai geboren wird – denn zu dieser Zeit gibt es genügend Nahrung. [8] Weibliche Nutrias bekommen normalerweise 4 bis 5, teilweise aber auch bis zu 13 Babys, [7, 8] die sie nach der Paarung 130 Tage lang austragen. Bei der Geburt sind die Nutriababys weit entwickelt; sie sind komplett behaart und haben die Augen bereits geöffnet. So können sie bereits wenige Stunden nach der Geburt das erste Mal zum Schwimmen ins Wasser gehen. [7]

Eine Nutria-Mutter säugt ihre Kinder etwa zwei Monate, danach gehen sie selbst auf Nahrungssuche. [8] Die Zitzen der Mutter liegen besonders hoch an den Seiten des Körpers – so können die Kleinen sogar gesäugt werden, während die Familie im Wasser schwimmt. Denn so befindet sich die Nasenspitze immer über der Wasseroberfläche und die Babys können atmen, während sie trinken. [7] Im Sommer kann man meist die ganze Familie zusammen beobachten. [8]

Nutrias auf einem Baumstamm
Nutrias leben paarweise oder in großen Familien mit einem Männchen und mehreren Weibchen.

6. Nutrias sind friedliche Tiere

Nutrias haben einen ausgezeichneten Gehör- und Geruchssinn, womit sie sich hauptsächlich orientieren, weil sie sehr schlecht sehen. Wegen der schwachen Sehkraft sind Nutrias eher ängstliche und vorsichtige Tiere. Insgesamt zeichnen sich Nutrias durch ein sanftes Gemüt aus – in ihrem Lebensraum stören sie keine anderen Tierarten, sondern leben meist friedlich mit ihnen zusammen. [3] Gelegentlich zeigen Nutrias aggressives Verhalten gegenüber Bisams und Bibern – auch gegenüber größeren Tieren und Menschen verteidigen Nutrias, wie alle Tiere, ihren Nachwuchs, wenn sie Angst um ihre Babys haben. [1]

7. Nutrias regulieren ihren Bestand selbst

Wenn alle Bedingungen stimmen, können Nutrias über zehn Jahre alt werden. [6] Mit dem Wetter in unserer Klimazone kommen Nutrias gut zurecht, aber sehr kalte Winter überleben die Tiere normalerweise nicht. In freier Wildbahn konnten Nutrias daher nur lokal dauerhafte Bestände aufbauen. [1]

Bei extremer Kälte erfrieren ihnen die empfindlichen Schwimmhäute zwischen den Zehen und der ungeschützte nackte Schwanz. Außerdem können Nutrias im Wasser unter geschlossenen Eisdecken die Orientierung verlieren und ertrinken. Gibt es starken, langanhaltenden Bodenfrost, kommen Nutrias außerdem nicht an die Wurzeln der Ufervegetation heran. Wenn jedoch mehrere sehr milde Winter aufeinander folgen, können sich einzelne Bestände halten und vergrößern – vor allem in Ufernähe, wenn es ausreichend Nahrung gibt oder Menschen ihnen Essen geben. [1]

Nutria putzt sich am Wasser.
Grundsätzlich regulieren sich Nutria-Bestände auf Grundlage der Umweltbedingungen selbst.

8. Öffentliches Interesse an Nutriafleisch

Nachdem die Nagetiere in ihrer Heimat und auch in Deutschland bereits auf dem Speiseplan standen, gibt es wieder vermehrt Interesse an dem Fleisch der Tiere.

Der Verzehr von Nutriafleisch trägt jedoch nicht dazu bei, das vermeintliche Problem der „invasiven Arten“ zu lösen. Erfahren Sie hier mehr zu dem Thema.

Die Jagd auf Nutrias ist unnötig

Im Normalfall regulieren sich Nutriabestände alleine: Kaltes Wetter und knappes Nahrungsangebot führen zum Rückgang der Populationen.

Zum Teil wird die Bejagung von Nutrias damit begründet, dass die Tiere beim Bau ihrer Höhlen Schäden an Ufern verursachen. Nutrias nutzen gerne alte Nester von Wasservögeln als Ruheplatz und verwenden bereits vorhandene Uferüberhänge und Höhlen, in denen ihre Gänge durchschnittlich nur zwei bis drei Meter lang sind. Das Umweltbundesamt merkt an, dass die Untergrabung einer Böschung oder die Überschwemmung einer Aue in der Zeit der Renaturierung von Gewässern nicht unbedingt als Schaden angesehen werden sollte [9]. Wenn es zu Uferschäden und zum Einstürzen des Bodens kommt, sind normalerweise nicht allein die Nutriagänge schuld. [3]

Nach dem Bundesjagdgesetz gehören Nutrias nicht zum „jagdbaren Wild“ und dürfen somit auch nicht im Rahmen des „Jagdschutzes“ erlegt werden. In einzelnen Bundesländern gibt es aber Sondergenehmigungen zum Fang und Abschuss, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. [1]

Wie Sie Nutrias helfen können

Nutrias sind freundliche, eher zurückhaltende und vorsichtige Tiere, von denen im Normalfall keine Gefahr ausgeht.

  • Bitte achten Sie darauf, Nutrias bei Spaziergängen – vor allem mit Hunden – nicht zu nahe zu kommen, da Nutrias sich sonst bedroht fühlen können.
  • Füttern Sie Nutrias bitte niemals, denn dadurch werden sie zutraulich und es kann leichter zu gefährlichen Situationen kommen. Außerdem beeinflusst Zufüttern die natürliche Regulation der Tiere – vor allem im Winter. Wenn sich die Bestände stark vermehren, ist es für viele Städte und Gemeinden die günstigste Lösung, die Nutrias zu jagen und zu töten.