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Selfies mit Wildtieren: So leiden Affen, Tiger, Löwen & Co. für Likes

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In vielen Urlaubsländern bieten Zoos, ähnliche Einrichtungen und teilweise Privatpersonen Begegnungen mit Wildtieren als touristische Attraktionen an: Elefantenreiten, Streichelzoos und Fotoshootings sind nur einige der Angebote, die zur Auswahl stehen. Tierkinder wie Tiger- und Affenbabys müssen besonders oft als Lockmittel für Tourist:innen und für Selfies herhalten. Auch freilebende Tiere leiden häufig unter den Tourist:innen, die für ein Urlaubsselfie zu nah an sie rangehen oder sie sogar anfassen. Für Reisende ist der Schnappschuss ein kurzer Moment, der den Urlaub unvergesslich machen soll – für die Tiere bedeutet er hingegen ein Leben voller Entbehrungen, wie verschiedene Recherchen gezeigt haben.

Inhalte im Überblick

Tierbabys in Zoos: Von ihren Müttern entrissen, herumgereicht und eingesperrt

Ein Augenzeuge dokumentierte 2015/16 im US-amerikanischen Dade City’s Wild Things (DCWT) Zoo in Florida beispielsweise, dass neben Tigerbabys auch kleinere Affenarten, Papageien und Löwen als Tourist:innenattraktion missbraucht wurden. Häufig werden die Tiere ihren Müttern schon im Babyalter entrissen. Die wehrlosen Tiere werden unter Angst und Stress täglich stundenlang für Schnappschüsse herumgereicht. Sobald die Tiere zu groß und stark für den Kontakt mit Menschen sind, werden sie meist gezwungen, den Rest ihres Lebens in kleinen Käfigen zu verbringen.

Der Privatzoo DCWT wurde 2020 endgültig geschlossen – nach einer Klage von PETA USA und einem Gerichtsbeschluss, der die Trennung von Tigerbabys von ihren Müttern, das erzwungene Schwimmen mit Besucher:innen und die schlechte Tierhaltung als Verstöße gegen das US-Artenschutzgesetz einstufte.

Unterdrückung und Gewalt – so werden die Tiere gefügig gemacht

Viele vergessen, dass es sich bei den Tieren um Wildtiere handelt, die durch die Gefangenschaft sowieso schon extrem psychisch belastet sind. Damit ein Mensch Wildtieren in einer „Attraktion“ so nah kommen kann, müssen sie kontrolliert und unterdrückt werden. Sie werden mit unterschiedlichen Methoden für die Urlaubsselfies gefügig gemacht:

  • Bei der in Thailand gängigen Praxis „Phajaan“ beispielsweise wird den Elefanten in der Tourismusindustrie bereits im Kindesalter der Wille gebrochen, indem man sie fesselt, tagelang auf sie einschlägt und ihnen Schlaf, Nahrung und Wasser entzieht.
  • Oftmals werden Primaten, Tigern und Löwen die Zähne gezogen oder die Krallen amputiert, damit sie keine Menschen verletzen. [1]
  • Großkatzen werden auch häufig mit Medikamenten ruhiggestellt. [2]

Tiere, die durch die Gefangenschaft und Unterdrückung schwerstens traumatisiert sind, sind tickende Zeitbomben. Vorfälle, bei denen Tourist:innen verletzt oder gar getötet werden, sind keine Seltenheit. [3, 4]

Person sitzt auf Elefant und laesst sich fotografieren
Auch in Deutschland werden Tiere für Fotos missbraucht.

Wildtierhandel: Geschützte und bedrohte Tierarten werden ihrer Heimat entrissen

Im Juni 2021 enthüllte die ARD-Doku „Planet ohne Affen“, dass sogar streng geschützte und bedrohte Menschenaffen wie Schimpansen und Bonobos unter anderem für touristische Zwecke rücksichtlos ihren Familien und ihrem natürlichen Lebensraum entrissen werden. Viele Tierbabys landen auf diese Weise illegal bei Privatpersonen oder in Privatzoos, wo Interessent:innen beispielsweise Fotoshootings mit den Tierbabys buchen können.

Diese Tiere sind oft nur als Babys ein Kassenmagnet oder ausgewachsen zu gefährlich, um den Tourist:innen eine direkte Interaktion mit den Tieren zu ermöglichen. Ist der direkte Kontakt mit den Tieren zu riskant, werden viele von ihnen den Rest ihres Lebens in winzige Käfige gesperrt.

Tierleid in thailändischen „Tigertempeln“: geschmuggelte Tiger und tote Tigerbabys

In Thailand gibt es eine weitere tierquälerische „Attraktion“ für Tourist:innen: sogenannte Tigertempel. Während der bekannteste und skandalträchtigste Tigertempel Wat Pha Luang 2016 schloss und als „Zoo“ neu eröffnete, [5] gibt es noch zahlreiche weitere Tempel, in denen Tiger gefangen gehalten werden. Allein im kontrovers diskutierten Tempel Wat Pha Luang wurden 137 Tiger beschlagnahmt und an staatliche Einrichtungen übergeben, nachdem der Tempel mit illegalem Wildtierhandel in Verbindung gebracht wurde. Auf dem Grundstück des Tempels wurden tote Tigerbabys, Körperteile von Tigern und Produkte aus anderen getöteten Tieren wie dem Asiatischen Schwarzbären gefunden. [5]

Auch wenn nicht allen Tigertempeln solche gravierenden Missstände nachgewiesen werden können, leiden die dort in Gefangenschaft gehaltenen Tiere – nur damit Menschen ein fragwürdiges Urlaubserlebnis haben und die Anbieter:innen möglichst viel Profit machen.

Tiger in kleinen Kaefigen

Das skrupellose Geschäft mit den Wildtieren

Zwischen 2014 und 2017 hat sich die Anzahl touristischer Fotos mit Wildtieren auf Instagram fast verdreifacht. [6] Für möglichst viel Aufmerksamkeit und Likes auf Social Media nehmen viele im Urlaub an Fotoshootings mit Wildtieren teil. Menschen, die solche touristischen „Attraktionen“ anbieten, geht es dabei um Profit, nicht um das Wohl der Tiere. Zu den zehn meistfotografierten Tieren gehören Elefanten, Kängurus, verschiedene Primaten, Löwen, Tiger, Faultiere, Koalas, Delfine, Giraffen und Schildkröten – einige dieser Tierarten gelten als bedroht. [6]

Tiere für touristische Zwecke eingesperrt oder angekettet unter miserablen Bedingungen in Gefangenschaft zu halten, ist Tierquälerei. Fotos mit Tourist:innen bedeuten für die Wildtiere zusätzlichen Stress. Die Einsamkeit, die Enge und der Stress machen viele Tiere krank und sie entwickeln sichtbare Verhaltensstörungen. Aufgrund der schlechten Haltung, der ständigen Nähe zum Menschen und mangelhafter tierärztlicher Versorgung sterben viele Tiere einen frühen Tod. Haben die Tierbabys ausgedient, werden sie häufig getötet, in winzige Käfige hinter den Kulissen weggesperrt oder landen bei dubiosen Tierhändler:innen.

In Afrika werden Tausende Löwen auf Farmen gezüchtet und als „Tourist:innenattraktion“ missbraucht. Sind die Löwen ausgewachsen, werden sie in Gehege eingesperrt und als „Jagdtrophäen“ zum Abschuss angeboten, um ein letztes Mal mit ihnen Profit zu machen. [7] Im Mai 2021 gab die südafrikanische Regierung bekannt, zunächst wenigstens die sogenannte Gatterhaltung und -jagd zu verbieten. In anderen afrikanischen Staaten wie Simbabwe, Mosambik, Sambia und Namibia ist ein entsprechendes Verbot bisher nicht geplant. [8]

Wildtier-Fotoshootings auch in Deutschland

Nicht nur im Ausland, sondern auch in Deutschland gibt es zahlreiche Angebote, bei denen Tiere als Fotorequisiten missbraucht und zur Interaktion mit Menschen gezwungen werden – beispielsweise mit Tigerbabys, Elefanten oder Wölfen. Auch wenn sich manche Einrichtungen, etwa mit Tieren aus Zirkushaltung, als vermeintliche „Auffangstation“ ausgeben, so ist dies doch oftmals irreführend: Denn dort werden die Tiere meist unter gleichfalls mangelhaften Lebensbedingungen gehalten und weiterhin wie im Zirkus für Veranstaltungen missbraucht. Keine seriöse Auffangstation würde eine direkte Interaktion zwischen Mensch und Wildtier zulassen oder ihre Schützlinge für Shows oder Fotos zur Verfügung stellen. Auch in Falknereien müssen die sensiblen Wildvögel häufig als Attraktion herhalten, um von Besucher:innen für Selfies auf dem Arm gehalten oder sogar gestreichelt zu werden.

Selfies mit freilebenden Tieren: enorme Stresssituation für die Tiere

Auch Tiere, die in der freien Natur leben, werden häufig für Selfies oder Videos geradezu bedrängt oder sogar misshandelt. Erst im Jahr 2025 sorgte ein Video einer Influencerin für Aufsehen im Internet. Im Video entreißt sie ein Wombat-Baby seiner Mutter und hält es anschließend in die Kamera. Solch eine Situation bedeutet enormen Stress sowohl für das Wombat-Baby als auch seine Mutter. Zudem kann eine Trennung von der Mutter bei Tieren dazu führen, dass die Mutter ihr Kind verstößt, was den Tod des Babys zur Folge habe kann. [9]

Dies ist kein Einzelfall – Tausende solcher Videos und Selfies sind in den sozialen Netzwerken zu finden. Immer mehr Menschen machen Selfies mit freilebenden Wildtieren und gefährden dabei sowohl die Wildtiere als auch sich selbst. Expert:innen warnen, dass Selfies mit Tieren bei diesen physischen und psychischen Stress auslösen und sogar für sinkende Geburtenraten verantwortlich sein könnten. [10]

So können Sie den Tieren helfen

  • Bitte nehmen Sie in Ihrem Urlaub nicht an „Attraktionen“ teil, bei denen Tiere eingesetzt oder zur Schau gestellt werden.
  • Klären Sie Freund:innen und Bekannte über das Leid der Tiere auf, das hinter den Urlaubsfotos steckt.
  • Halten Sie Abstand zu Wildtieren, berühren sie nicht und heben Sie sie nicht hoch.
  • Wenn Sie ein Wildtier in Not finden, werden Sie nur aktiv, wenn Sie sich sicher sind, dass das Tier Ihre Hilfe benötigt. Kontaktieren Sie umgehend lokale Wildtierhilfen oder Tierheime und befolgen Sie deren Anweisungen.
  • Informieren Sie sich über beliebte touristische Attraktionen mit Tieren und lesen Sie, warum diese oftmals nur scheinbarer Tierschutz sind.