Lederproduktion: Darum brennt der Regenwald für Leder

Zwischen 2011 und 2020 wurden allein in Brasilien mehr als 6,7 Millionen Hektar Amazonas-Regenwald vernichtet. [1] Eine Fläche, die fast so groß ist wie Bayern. Dazu kommen erschütternde Rekorde im Jahr 2022. Knapp 195.400 Hektar wurden allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres zerstört. [2] Mit jedem weiteren Tag schwindet unsere Chance, den Amazonas vor dem Kipppunkt zu retten, bevor er sich in eine Savanne zu verwandeln beginnt, und die Klimakatastrophe zu stoppen.

Während den meisten Menschen klar ist, dass die Produktion von tierischen Produkten und Palmöl ein maßgeblicher Grund für die verheerenden Rodungen ist, bleibt ein ebenso relevanter Akteur oftmals unbeachtet: die Lederindustrie.

Inhalte im Überblick

Riesige Flächen Regenwald für Leder abgeholzt

Der Amazonas-Regenwald ist der größte zusammenhängende und vermutlich artenreichste Regenwald unseres Planeten. Ausgerechnet dort floriert die Leder- und Fleischindustrie und hinterlässt eine Spur der Zerstörung. Zwei Drittel der gerodeten Flächen des Amazonas und der südamerikanischen Region Cerrado wurden vernichtet, um Rinder zu züchten und deren „Futtermittel“ herzustellen. [3] Die Zucht von mittlerweile knapp 260 Millionen Rindern in Brasilien ist damit für ein Fünftel aller Emissionen aus der rohstoffbedingten Entwaldung in den gesamten Tropen verantwortlich. [4,5].

Doch nicht nur im Amazonas wütet die Lederindustrie. Weltweit ist die Zucht und Haltung von Rindern an etwa 36 Prozent des gesamten weltweiten Waldverlustes schuld. [6] Dabei ist der Wald im Kampf gegen die Klimakrise mit seiner unvergleichbaren Fähigkeit, riesige Mengen an Kohlenstoff und Wasser zu speichern, unverzichtbar.

Gerodeteter brennender Wald
Weltweit werden Regenwälder für die Produktion von Leder gerodet.

80 Prozent des Leders aus dem Amazonas werden exportiert; mit China und Italien als Hauptzielländer. [7] Von dort werden die Häute zu Produkten wie Schuhen, Taschen oder Möbeln verarbeitet und landen in Geschäften auf der ganzen Welt oder im Online-Handel – und dadurch auch in deutschen Haushalten. Das Exportvolumen von Tierhäuten, die aus Brasilien in die ganze Welt verkauft werden, wird auf etwa 1,4 Milliarden US-Dollar geschätzt. [7] Ein Milliardengeschäft, dessen Kosten nicht nur die gewaltsam getöteten Tiere bezahlen, sondern jeder Einzelne von uns.

Artenvielfalt durch Konsum von Lederprodukten massiv bedroht

Im Amazonas-Regenwald leben rund zehn Prozent aller bekannten Tier- und Pflanzenarten. [8] Nicht nur Säugetiere wie der Baumozelot, Weißwangenklammeraffe und Flachlandtapir, sondern auch unzählige Insekten, Pflanzen und Pilze, deren Existenz und Aufgabe im Ökosystem wir noch nicht einmal begriffen haben. Sie alle werden bei den Rodungen verbrannt oder vertrieben.

Insbesondere junge Tiere, aber auch langsame Arten wie Faultiere oder Schildkröten fallen den Flammen zum Opfer. Selbst aquatische Systeme mit seltenen Arten wie dem Amazonas-Delfin sind über die Nahrungskette von den Konsequenzen betroffen. Durch die Rodungen wird das gesamte ökologische Gleichgewicht auf unserem Planeten massiv bedroht. Artenvielfalt ist für unser Überleben jedoch unersetzbar. Wir setzen somit unser eigenes Leben aufs Spiel, nur um ein paar Schuhe oder ein Auto mit einer Innenausstattung aus Leder zu besitzen. Hinzu kommt unvorstellbare Gewalt gegenüber Tieren.

Artensterben durch Leder

Tierqual für Leder: Kranke Rinder gewaltsam mit einem Kran von Schiffen transportiert

Als stärkster Treiber der Abholzung des Amazonas gilt JBS, einer der größten Leder- und Fleischproduzenten der Welt. 2016 veröffentlichte PETA eine Enthüllung, die zeigt, wie auf Rinderbetrieben von JBS Tiere in Brasilien für Autoleder mit Elektroschocks malträtiert und Kälber im Gesicht gebrandmarkt werden. Um sie zu mästen, werden Rinder weltweit zu Tausenden auf riesigen Feedlots eingesperrt, in Ställen angebunden oder stehen selbst bei der seltenen Weidehaltung im Winter auf engster Fläche in ihrem eigenen Kot und Urin. Qualvolle Standardeingriffe wie die betäubungslose Kastration und schmerzhafte Enthornungen sind weit verbreitet.

Zusätzlich haben in den vergangenen Jahren Lebendtransporte für Leder stark zugenommen. Allein die Türkei, deren Lederindustrie stark gewachsen ist, importierte 2017 etwa 895.000 lebende Rinder aus aller Welt – auch aus Brasilien. [9] Eine Video-Enthüllung von PETA und Manfred Karremann aus dem Jahr 2020 zeigt, dass die Tiere auf den kräftezehrenden, oftmals wochenlangen Routen in der Regel unzureichend mit Nahrung und Wasser versorgt werden. Sie sind Hitze wie Kälte wehrlos ausgesetzt, während sie dicht zusammengedrängt in ihrem eigenen Kot stehen. Beim Transport mit Schiffen wurden verletzte oder entkräftete Tiere qualvoll und mit ihrem gesamten Gewicht an einem Bein hängend via Kran von den Schiffen gehievt. Die Tiere landen oft in weit entfernten Ländern wie der Türkei, dem Libanon oder Irak, wo ihnen nach rituellen Methoden oder illegal auf Hinterhöfen – meist ohne Betäubung – die Kehle durchtrennt wird. Auch die Haut dieser Tiere landet als Lederprodukt wieder in unseren Regalen.

Keine Transparenz bei Lieferketten für Leder

Aufgrund intransparenter Handelswege kann die ursprüngliche Herkunft der Tiere und ihrer Häute bei Lederprodukten in der Regel nicht zurückverfolgt werden. Lebendtransporte machen es noch komplizierter, auszuschließen, ob für eine Tierhaut der Regenwald abgeholzt wurde, da Tiere immer häufiger in einem anderen Land getötet werden als sie gemästet wurden.

Diese Schlussfolgerung unterstützt auch eine Untersuchung von Stand Earth aus dem Jahr 2020. Die Initiative inspizierte über 400 Lieferketten-Verbindungen und bringt darauf basierend knapp 100 weltweit bekannte Modeunternehmen mit Lederprodukten in Verbindung, für deren Produktion Regenwald abgeholzt wurde. Darunter auch Firmen wie H&M, Adidas oder LVMH, die eigentlich versprochen haben, zukünftig kein Leder aus Regenwaldzerstörung mehr zu beziehen. [10]

„Konsument:innen sollte immer klar sein, dass sie in der Regel nicht erkennen können, ob ihr Schuh oder ihre Tasche aus der Haut eines Rindes, Hundes oder Kängurus gefertigt wurde – und erst recht nicht, in welchem Land das Tier getötet oder gemästet wurde. Denn Etiketten geben keinerlei Auskunft über die Tierart, Herkunft oder Verarbeitung der Tierhäute und vermeintliche Qualitätsmerkmale wie ‚Made in Italy lediglich darüber, wo das Endprodukt zuletzt bearbeitet wurde.“

Johanna Fuoß, Fachereferentin bei PETA Deutschland

Tiere und der Regenwald leiden auch für zertifiziertes Leder

Manche Unternehmen versuchen, sich selbst und ihren Kund:innen ein besseres Gewissen zu verkaufen, indem sie sich auf Label wie die Leather Working Group (LWG) stützen. Doch bisher ist auch die LWG nicht dazu in der Lage, auszuschließen, dass für die Aufzucht von Tieren Regenwald gerodet wurde; so sind alle JBS-Gerbereien in Brasilien LWG-zertifiziert, obwohl diese bereits mehrmals nachweislich mit der massiven, überwiegend illegalen Rodung von Amazonas-Regenwald in Verbindung gebracht wurden. [11,12]

Verlassen Sie sich niemals auf die Zertifikate der Tierindustrie. Sie können weder verhindern, dass Tiere ohne Sonnenschutz auf riesigen Feedlots eingesperrt oder von Arbeiter:innen mit Elektroschocks malträtiert werden, noch können sie die Zerstörung des Regenwaldes stoppen.

Rind erhaelt Brandmarkierung
Immer wieder werden tierquälerische Zustände auf brasilianischen Rinderfarmen aufgedeckt.

Modeunternehmen, aber auch die Automobilindustrie oder Möbelhäuser können den Regenwald und Tierleben nur retten, indem sie Leder konsequent aus ihrem Sortiment streichen und auf vegane Alternativen umsteigen.

Vegane Lederalternativen kaufen und Leben retten

Jedes Tierleder – egal woher es kommt – trägt zum weltweiten Raubbau an unserem Planeten bei – auch bei uns in Europa. Indem wir Leder im Regal liegen lassen und stattdessen zu veganen, tierfreundlichen Alternativen wie Pilzleder, Ananasleder oder Kork greifen, können wir ohne große Anstrengungen einen Beitrag dazu leisten, das Leid von Tieren zu reduzieren und die Abholzung der auch für uns überlebenswichtigen Regenwälder zu stoppen.